Die Erben des Terrors (German Edition)
Klippen von Bequia aufzutreiben. Aber so lange dauerte es normalerweise nicht, das, was gerade kaputt gegangen war, zu reparieren. Und vom Geräusch her war der Motor nur abgestorben, also war es fehlende Luft oder fehlender Diesel. Er ging unter Deck und klappte die schwere Treppe hoch, um den Motor zu sehen. Es roch nach Diesel, das war es also schon mal nicht. Blieb also die Luft, wusste er, und schraubte das Gehäuse des Luftfilters auf.
Wie erwartet hatten sich kleine Insekten, Pollen und sonstiger Dreck in dem Filter abgelagert, den man kaum noch wegwischen konnte. Die schöne, saubere karibische Luft ist auch nicht mehr das, was sie mal war, aber das war nicht das erste Mal, dass Rybak das bemerkte. Er nahm eines der Polster der steuerbordseitigen Sitzbank hoch und öffnete die Holzabdeckung darunter. Aus dem Fach, das sich darunter befand, nahm er einen neuen Luftfilter und notierte sich in Gedanken, dass er innerhalb des nächsten Jahres einen neuen bräuchte – es war der vorletzte.
Nach zehn Minuten, mit einem Glas Rum in der Hand, als Schadensersatz für die ihm gerade zuteil gewordenen Mühen, ging er wieder nach oben und start ete den Motor erneut. Wie erwartet sprang dieser an, noch gute vier Kilometer von der Küste Bequias entfernt.
Anderthalb Stunden später
13° 04’ 33.86” Nord, 61° 12’ 01.18” West
Acht Kilometer südlich von Kingstown, St. Vincent, St. Vincent und die Grenadinen
Der Wind hatte deutlich nach Osten gedreht, stellte Rybak erfreu t fest, endlich könnte er die Segel hissen. Endlich, nachdem er die letzte Stunde damit verbracht hatte, seine auf den Blöcken von Julius Bull & Cie. (Grand Cayman) niedergeschriebenen Notizen nochmals zu lesen. Er hatte in den letzten vierundzwanzig Stunden seine Mitschrift und seine Decodierung ein Dutzend Mal mit den Inhalten des gelben Umschlags verglichen, aber es kam immer das gleiche heraus:
NIKITA NULL EINS BESTAETIGE
ANGRIFF NEW YORK OKTOBER VIER ENDE
Drei Tage zuvor hatte er im Radio gehört, dass es in Nischnjaja Tura, der Codestadt für New York, 10,4 Grad hat. Zwei Tage zuvor hatte er die Korrektur gehört. Dann hatte er den Tresor geöffnet und den alten ranzig riechenden grünen Umschlag herausgenommen. Um 18 Uhr abends hatte er auf 1480 Kilohertz Kurzwellenfunk seine Bestätigung angefordert; um 20 Uhr kam sie auf 1490 Kilohertz. Nach 48 Jahren und ohne in den Nachrichten erkennbaren Grund. Aber Rybak hatte seine Mission, und er gedachte, sie durchzuführen. Er warf die Notizzettel über Bord und legte die Umschläge zurück in den Tresor.
Kurz darauf schaltete er den Motor aus und stieg auf die achterliche Cockpitbank, um das Besansegel zu hissen. Für das Großsegel war der Wind zu stark, zudem kam er immer noch aus der falschen Richtung. Aber mit dem kleinen Segel am hinteren Mast und der großen Genua vorne sollte er den brummenden Motor endlich ausschalten können, dachte er, als er die Winschkurbel in die Winsch am Mast steckte, die das Segel hochziehen würde.
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Drei Stunden zuvor hatte der Öltanker TI Asia auf seinem Weg von Jeddah in Saudi-Arabien nach Houston, Texas die Stelle passiert, an der sich Rybak gerade befand. Der vierhunderttausend-Tonnen-Tanker, eines der größten Schiffe der Welt, war mit wenig beschaulichen fünfzehn Knoten durch die Meerenge zwischen Bequia und St. Vincent gefahren. Seine vier Meter hohe Bugwelle war dann gute anderthalb Stunden in Richtung St. Vincent gewandert, um dort an den Steilküsten abzuprallen. Weitere anderthalb Stunden später kam die immer noch einen Meter hohe Welle just in dem Moment wieder da an, wo Stunden zuvor die Asia gewesen war. Nur war dort jetzt Rybaks Schiff.
Als die Welle die Nikita erfasste, fiel Rybak unkontrolliert gegen den Mast des Besansegels, denn die Welle hatte ihn von hinten überrascht. Er versuchte, sich festzuhalten, um bei der gegenläufigen Wellenbewegung nicht von Bord zu fallen, konnte aber den Mast nicht rechtzeitig greifen. Während sich also das Schiff nach Steuerbord neigte, hielt Rybak krampfhaft die Winschkurbel fest. Doch diese löste sich nahezu ohne Widerstand aus ihrer Führung und ging zwei Sekunden später, gemeinsam mit Alexander Rybak, über Bord.
1 5. März 2013
11° 53’ 55.84” Nord, 64° 35’ 41.64” West
Ein Kilometer südlich der Insel La Blanquilla, Venezuela
Während er eine Banane schälte, nippte Daniel Dreyer am ersten Glas Rum des Tages . Der Mann, den er in Port Elizabeth kennen gelernt hatte, hatte
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