Die Erben des Terrors (German Edition)
seinem Finger und rubbelte an einem der Flecken. Nichts passierte. Er leckte nochmals und rubbelte über einen der Flecken auf der Rückseite des Papiers, und der Fleck wurde größer. „Wissen Sie, was das ist?“, fragte er mehr rhetorisch, aber begeistert wie ein Kind mit einem neuen Spielzeug.
„Säure. Das ist die Säure aus dem Papier, die über die Jahre verdampft.“
„Und davon bekommt Papier Flecken?“, warf Zapad unbeeindruckt ein.
„Nein, eben nicht! Das Papier hat unterschiedlich viel Säure an verschiedenen Stellen. Und wenn sie genau hinsehen, immer da, wo auch Buchstaben sind.“
Zapad erkannte jetzt, dass die Flecken um die Buchstaben herum intensiver waren. „Und das heißt, es war Säure im Tintenband der Schreibmaschine?“
„Nein, aber im Kohlepapier dahinter. Sonst wären die Flecken ja vorne!“
Alle im Raum saßen mit offenem Mund da. Das würde alles erklären – es gab einen Durchschlag. Wahrscheinlich von allem. Und der war jetzt… „Adam“, sagte Lowell, weiter überenthusiastisch, „find’ raus, wer das Ding getippt hat, Chruschtschow wird’s ja kaum selber getippt haben. Und wo die Frau…“ – er erntete einen bösen Blick von Chandima – „jetzt ist“.
29 . Juli 2013
59° 35’ 49.38” Nord, 18° 07’ 25.93” Ost
30 Kilometer nördlich von Stockholm, Schweden
„Neunzig Minuten“, sagte Creyghton laut. „Lass hören, Chandima“.
Chandima scrollte in ihrer Präsentation zu einer ihrer für alle anderen wie immer völlig unverständlichen, aber nicht minder genialen Zeitleisten.
„Wir kommen nicht drum rum, zuzugeben, dass die Boote unsere sind“, fing sie an, sich schon völlig mit ihrem Klienten identifizierend. „Aber die Amer ikaner haben sicher auch was, was die Russen nicht wissen.“
„Das wurde ihnen aber nicht geklaut“, unterbrach Creyghton.
„Die Amerikaner haben auch nicht das Problem mit Separatisten im eigenen Land… zumindest nicht mit so schlimmen wie den Tschetschenen. Und wir können zeigen, wie diese Frau, Chruschtschows Sekretärin, Vera Dingskaya …“, sagte sie und scrollte zu einer Folie, die eine attraktive junge Frau links im Bild und rechts daneben eine gut über siebzig Jahre alte Frau in zerfetzter Kleidung in einer erbärmlichen Gegend zeigte – der FSB hatte sie sehr schnell gefunden. „… wie Vera Baranskaya nach dreißig Jahren im Gulag mit ihrem Sohn Timur nach Schließung des Lagers nach Wolgograd zog und dort kurz vor seinem Tod einen Mann, einen Oberst Oleg Polevoy, heiratete. Polevoy war der Kommandeur des Gulags, in dem Baranskaya inhaftiert war, und wir hatten zuerst gedacht, es wäre sein Sohn. Das hat er wohl auch gedacht, aber die Heiratsaktion war nur ein Racheakt von dem Mann, der wirklich der Vater des kleinen Timur war – der ist jetzt auch fast fünfzig, also nicht mehr gar so klein.“
„ Wie Frau Baranskaya, jetzt Murdalova, dem FSB bereitwillig erzählt hat, bevor sie leider von uns gegangen ist…“
„Haben wir da ein Video?“, fragte Lowell, ganz in seinem Element.
„Ja, aber das wollen Sie nicht sehen“, antwortete Zapad.
„… bevor also Frau Murdalova von uns gegangen ist, haben wir erfahren, dass der Vater von Timur ein anderer Häftling namens Achmat Murdalov war, der dort nach den Unterlagen wegen islamischer Rebellion und/oder wegen öffen tlicher Ablehnung von Chruschtschows Siedlungspolitik in Grosny und Umgebung einsaß.“
„Lassen wir den zweiten Teil weg; islamische Terroristen verstehen die Amer ikaner besser“, warf Creyghton ein. „Find ich auch“, bestätigte ihn Darius.
„Gut, also, der islamische Terrorist Achmat Murdalov, Vater des Sohnes von Chruschtschows ehemaliger Sekretärin, kam dann irgendwann Anfang der Neunziger zu Polevoy und brachte ihn recht langsam um. Wir haben da ein Bild…“
„Nicht nochmal“, sagte Lowell.
„Dann haben wir keins. Nun ja, aber mit der Witwenrente von Vera Baranskaya, äh, Murdalova kauften sie sich ein kleines Haus in Argun, ein Stück westlich von Grosny. Das Haus haben die Russen dann 1995 in Grund und Boden gebombt, und Achmat Murdalov starb. Timur Murdalov schloss sich, soweit wir das wissen, dem islamischen Untergrund an. Frau Murdalova informierte uns auch darüber, dass sie ihm die Durchschriften gegeben hat, die sie all die Jahre aufbewahrt hatte, und ihr Sohn sie sehr eindringlich studiert hatte. Und irgendwann brach er dann auf, um den Scheich zu treffen, wohl um 1997. Seitdem hat sie nichts mehr
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