Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

einen Moment, dann blickt er nach oben.
    Ich folge seinem Blick. »Was ist da?« Ich sehe nur die Bäuche dunkler Wolken, schwer von Asche.
    Doch dann taucht ein Licht darin auf, und ein Gefährt fällt aus der Dunkelheit und reitet auf dem Wind. Es ist groß und dreieckig, und Segel blähen sich an seinem Mast. Es sieht aus wie eine größere Version des Fahrzeugs, das wir im Tempel gesehen haben. In seiner Mitte glüht ein blaues Licht – eine Energiequelle.
    »Was, ihr konntet wirklich fliegen?«, staune ich.
    »Man tut sich schwer, die Welt zu erforschen und seine Kultur zu verbreiten, wenn man nur Wasserfahrzeuge zur Verfügung hat«, lächelt Lük. »Zumindest dauert es sehr, sehr lange. Aber kannst du mir vielleicht sagen, wieso dieses Schiff dort oben Schlagseite hat?«
    »Wahrscheinlich, weil es gegen einen starken Seitenwind ankämpft, der mit etwa dreißig Knoten von Südost weht«, antworte ich, ohne zu zögern. Dann begreife ich, dass ich das genauso wusste, wie ich schon seit Tagen den Wind spüren kann.
    Lük lächelt.
    »Ich bin der Aeronaut«, sage ich.
    »Und im Tempel gibt es ein Luftschiff«, erwidert Lük.
    »Was, willst du etwa, dass ich damit fliege ?«
    »Ja, aber mit meiner Hilfe. Dafür bin ich ja hier. Ich habe gelernt, wie man ein Luftschiff steuert, und dieses Wissen wird mit der Zeit auf dich übergehen. Jetzt, da eine Verbindung zwischen dir und dem Schädel besteht, kann ich dich auch in deinen Gedanken besuchen.«
    »Dich also quasi in mich downloaden?«
    »Eher wird es sein, als wäre ich schon immer in dir gewesen, wie Erinnerungen, von denen du bislang nichts wusstest. Es wird noch mehr passieren – andere Effekte deines Erwachens.«
    »Oh. Danke für die Warnung.«
    »Das Entscheidende ist, dass wir deine Ausbildung jetzt auch ohne den Schädel fortsetzen können.«
    »Was das Fliegen angeht … Du kannst ja meine Gedanken lesen. Also schau doch mal, was ich mir gerade vorstelle.«
    Lük schließt die Augen und runzelt die Stirn. »Das sieht wie eine Art riesige Kuppel über uns aus.«
    »Genau. Das könnte noch ein Problem werden …«
    »Ich fürchte, da werde ich dir keine große Hi…«
    Lüks Lippen bewegen sich noch, doch ich kann seine Stimme nicht mehr hören.
    Die Welt um uns flackert hell auf.
    »Hey«, sage ich.
    »D…« Seine Lippen bewegen sich. »Um d…«
    Die Welt wird noch heller. Ich selbst werde immer heller. Die Vision geht zu Ende. Ich verlasse den Schädel.
    Alles wird weiß, dann ganz plötzlich schwarz.
    Ich fühle, wie ich in meinen Körper zurückfalle. Raum und Zeit kehren zurück.
    Und mit ihnen die Schmerzen.

18

    Ich landete wieder in meinem Körper und füllte ihn aus. Meine Füße auf dem Boden, meine brennende Hand; ich spürte mein Herz schlagen, doch mein Atem …
    Stand still. Schmerzen an meinem Hals … Druck. Alles wurde zusammengepresst.
    Ich schlug die Augen auf. Bis auf ein paar Lichtstrahlen war es dunkel in der Kammer. Taschenlampen … ich entdeckte Lilly und einen der Uniformierten, die wir vorhin beobachtet hatten, der ihr nun den Ellbogen um den Hals gelegt hatte.
    Der andere hielt mich auf die gleiche Weise gepackt.
    Der Strahl der Lampe traf den Schädel, doch sein inneres Feuer war erloschen.
    »Das ist faszinierend.« Cartier trat vor, hob den Schädel von seinem Podest und wog ihn zwischen seinen behandschuhten Händen, als wollte er sein Gewicht schätzen. »Mr. Jacobsen wird hocherfreut sein.« Dann warf er seinen Männern einen knappen Blick zu. »Seine Befehle lauten, die beiden und den Schädel ins Labor zu bringen. Also los.«
    Ich sah zu Lilly. Ihr Gesicht war ganz rot. Gegen diesen Würgegriff hatten wir keine Chance. Ich wollte ihr zu verstehen geben, dass schon alles wieder gut werden würde, auch wenn ich noch nicht wusste, wie.
    Trotz der Gefahr, in der wir schwebten, fühlte ich mich immer noch wie benebelt von meiner Erfahrung innerhalb des Schädels, losgelöst von allem um mich herum. Ich konnte meine Beine kaum zum Laufen zwingen, konnte mich auf nichts konzentrieren. Mein Gehirn war mit anderen Dingen beschäftigt.
    Alle mal herhören , rief einer der Techniker und winkte seine Kollegen herbei. Die gelben Anzüge versammelten sich um ein paar Bildschirme, deren Anzeigen wild ausschlugen. Ihr erinnert euch noch an die Datenbanken, über die wir uns so gewundert haben? Zustimmendes Gemurmel. Nun, sieht ganz danach aus, als gingen sie gerade online.
    Ich schüttelte den Kopf, wollte mich konzentrieren.