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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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dass du das alles hier erben und deinem Daddy vor der Nase wegschnappen wirst?«
    Sassie sah sie schockiert an, und Henry, der zu einer Kaffeepause hereingekommen war, zog sich von der Tür zur Speisekammer zurück. Jimmy stöhnte auf, während William Alice anherrschte: »Alice, in Gottes Namen!«
    Aus Rachel wich die Freude über das Wiedersehen mit ihrer Familie wie aus einem zerplatzten Ballon. »Wie kannst du mich das in so einer Situation fragen, Mama?«
    »Ich bin eben neugierig.«
    »Alice …«, warnte William sie.
    »Misch du dich nicht ein, William Toliver. Ich habe nie ein Hehl aus meiner Einstellung gemacht, das weiß Rachel ganz genau.«
    Rachel stand auf. »Henry, hast du ihnen ihre Zimmer gezeigt?«
    »Ja, das Gepäck steht schon oben.« Da ertönte die Klingel, ein Geräusch, das alle in der angespannten Atmosphäre als ziemlich schrill empfanden. »Da kommt wieder jemand«, bemerkte Henry, der froh zu sein schien, dass er aus der Küche verschwinden konnte. »Wenn’s recht ist, lass ich die Gäste rein, Miss Rachel.«
    »Danke, Henry. Bring sie in den Salon und sag ihnen, ich bin gleich bei ihnen.« Dann wandte Rachel sich wieder ihrer Familie zu, die noch am Tisch saß, Vater und Bruder mit niedergeschlagener Miene, Alice ungerührt. »Das sind Trauergäste zum Kondolieren. Wollt ihr in eure Zimmer, bevor ihr hier nicht mehr wegkommt?«
    »Warum? Schämst du dich für uns?«, fragte Alice.
    Jimmy und William stöhnten auf. Rachel sagte, um Ruhe
bemüht: »Ich dachte nur, du möchtest vielleicht nicht unbedingt Beileidsbezeigungen von Fremden für eine Frau entgegennehmen, die du nicht leiden konntest.«
    »Alice, Rachel hat recht«, pflichtete William ihr bei. »Wir sollten raufgehen. Wir sind alle nicht für den Anlass gekleidet, und ich würde mich gern noch kurz hinlegen, bevor wir ins Bestattungsinstitut fahren.«
    Der schlaksige, für seine einundzwanzig Jahre hoch aufgeschossene Jimmy mit den rötlich braunen Haaren stand verlegen auf. »Die Sache mit Tante Mary tut mir wirklich leid, Schwesterherz«, sagte er. »Ich weiß, dass du sie sehr gern gehabt hast und dass sie dir fehlen wird. Sie war eine nette alte Dame. Mein Beileid.«
    Der liebe, unkomplizierte Jimmy. Rachel zerzauste ihm die Haare. »Danke, Jimmy. Möchtest du was unternehmen, während unsere Eltern sich ausruhen?«
    »Wenn’s dir nichts ausmacht, würd ich mir gern die Limousine anschauen. Die ist doch noch da, oder?«
    Rachel holte die Schlüssel aus einer Schublade und warf sie ihm zu. »Klar. Gönn dir eine Spritztour damit.«
    Wieder klingelte es. »Bis später!«, sagte Jimmy und entfernte sich.
    Nun wandte Alice sich ihrer Tochter zu. »Und welche Treppe sollen wir benutzen – die für die Dienstboten oder die vordere?«
    Rachel sah ihre nach wie vor im Stil der Nachkriegsmode gekleidete, geschminkte und frisierte Mutter an. Nur noch wenig erinnerte an die unbekümmerte Frau, die früher mit Rachel zum Spielplatz gegangen war, die Schaukel angestoßen oder Wiesenblumen gepflückt hatte, welche für gewöhnlich verwelkt waren, ehe sie zu Hause ankamen, und die ihr vor dem Einschlafen Geschichten vorgelesen und ihr das Schwimmen beigebracht hatte. Jahre voller Ressentiments –
für die Rachel sich verantwortlich fühlte – hatten sie ihrer Lebensfreude beraubt.
    »Welche dir lieber ist, Mama«, antwortete sie und verließ die Küche, um die Gäste zu empfangen.
    Die gespannte Atmosphäre lockerte sich in den folgenden grauen, schwülen und anstrengenden Tagen nicht. Der einzige Trost für Rachel war Matts unermüdliche Unterstützung. Am Abend vor der Beisetzung meinte er: »Ich würde dir gern einen Ort zeigen, wo wir uns in Ruhe einen Drink genehmigen können. Hast du Lust?«
    Trotz ihrer Müdigkeit und Angst vor dem folgenden Tag sagte sie ja.
    Er brachte sie zu einer Hütte tief im Wald, an einem See. Der große Raum roch frisch geputzt und wurde durch eine Klimaanlage und einige Deckenventilatoren gekühlt. »Du hast damit gerechnet, dass ich mitkomme«, stellte Rachel fest.
    »Ich hatte es zumindest gehofft. Was möchtest du trinken? Weißwein?«
    »Ja, gern«, antwortete sie und betrachtete einen alten Indianerkopfschmuck an der Wand genauer. »Du hast einen breit gefächerten Geschmack.«
    »Nicht ich. Diese Hütte haben unsere Großväter und dein Großonkel als Jungs erbaut und eingerichtet. Ich bin schon die dritte Generation, die sie als Zufluchtsort nutzt, und habe sie in ihrem ursprünglichen Zustand

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