Die Erben
schnaubte.
„Ich hab nicht das Gefühl, dass der Hausmeister, der jetzt mein Fenster erneuern muss, der gleichen Ansicht ist“, meinte er skeptisch, zwinkerte mir aber trotzdem zu. „Vermutlich habe ich noch einiges an Übung nötig, bis das richtig funktioniert.“
„Hast du denn früher schon etwas gemerkt?“, wollte ich wissen und Thor zuckte mit den Schultern.
„Um ehrlich zu sein, ja“, gab er zu und ich riss überrascht die Augen auf. „Wenn ich irgendwelche kleineren Gegenstände aufheben oder greifen wollte, hatte ich den Eindruck, dass sie mir entgegen kamen. Vor ein paar Wochen habe ich das dann ganz gezielt auch versucht, aber eben immer nur mit so kleinen Sachen wie Radiergummis oder Kugelschreibern. Als dieser Puma auf mich zugerannt kam, war es eher ein hoffnungsvoller und leicht verzweifelter Versuch, diesen Stein wieder zurück zu holen. Die einzige Alternative wäre wegrennen gewesen, aber das erschien mir wenig männlich.“
Er grinste mich schief an und ich musste lachen.
Dann wurde er wieder ernst. „Sarah will jetzt also nach Constantine suchen?“
„Davon kann man wohl ausgehen, ja“, antwortete ich und Thor ließ die Finger knacken.
„Ich halte es für keine gute Idee, dass sie alleine nach ihm sucht“, gab er zu bedenken und ich runzelte die Stirn.
„Wieso?“
„Wenn er einfach so ein Bild in deinen Kopf setzten und mit euch sprechen konnte, dann müssen wir wohl davon ausgehen, dass er über ziemlich eindrucksvolle Fähigkeiten verfügt“, erklärte Thor. „Davon abgesehen wissen wir rein gar nichts über den Kerl.“
Ich nickte. „Du meinst also, es kann genauso gut eine Falle sein und er sticht uns ab, sobald wir bei ihm auftauchen?“
„Ganz so blutrünstig meinte ich das jetzt nicht, aber vom Prinzip her; Ja“, gab Thor mir Recht. „Es gibt zig Möglichkeiten, was er vorhaben könnte. Wir sind aber alle noch nicht wirklich vertraut mit unseren Fähigkeiten und wir wissen nicht, ob es noch mehr von uns gibt. So oder so macht uns das sehr verwundbar, weswegen wir kein unnötiges Risiko eingehen sollten. Sarah scheint mir aber jemand zu sein, der vor keinem Risiko zurück schreckt, egal wie unkalkulierbar es sein mag. Sie ist alleine zu diesem Wyatt gegangen und es würde mich kein bisschen wundern, wenn sie auch alleine zu Constantine gehen würde, wenn sie das Gefühl hat, so geht es schneller.“
Bei Thors exakter Zusammenfassung konnte ich nur noch zustimmend nicken.
Ich legte den Kopf schräg und musterte ihn, während er Kafka streichelte, der mal wieder von seinem Tiefschlaf aufgewacht war.
Jetzt, wo ich Thor alles gesagt hatte und mich so erleichtert fühlte, konnte ich mich plötzlich nicht mehr erinnern, warum ich nicht schon früher zu ihm gegangen war.
Aber das sagte ich ihm lieber nicht. Bestimmt hätte er mich gewarnt, mich nicht in falscher Sicherheit wegen ihm zu wiegen oder so. Das klang zumindest sehr nach ihm.
Thor richtete sich wieder auf. „Würdest du mit Sarah reden und versuchen, ihr den Quatsch auszureden, oder soll ich das machen?“
„Lass es doch Sisy machen“, meinte ich mit einem schiefen Grinsen. „Die kann im Notfall auch gleich nachhelfen, dass Sarah auch ja zustimmt.“
Thor verdrehte die Augen. „Okay, ich rede mit Sarah.“
Zufrieden nickte ich, dann brach ein Lachen aus mir heraus.
Verständnislos musterte mich Thor. „Was ist jetzt los?“
„Ach“, meinte ich japsend. „Ich hab mir nur gerade wieder vorgestellt, wie die Nachtischlampe gegen deinen Kopf geknallt ist.“
15. Kapitel
- 15 -
Lyn
Es war Freitagnachmittag. Endlich.
Achtlos schmiss ich meinen Rucksack aufs Bett und ließ meinen MP3-Player auf der Dockingstation einrasten. Mit aufgedrehter Musik zog ich gutgelaunt meine Schuluniform aus und schmiss die Einzelteile wild im Zimmer umher. Nach nur vier Tagen hatte es seinen ursprünglichen Zustand fast wieder erreicht.
Selbstverständlich hatte diese ausdrucksfreudige zur Schaustellung meiner guten Laune einen Grund. Und dieser Grund war Sarah van der Veer. Oder besser gesagt; Ihre Abwesenheit in meiner Anwesenheit.
Vor ein paar Tagen hatte sie mir voller Stolz und Weisheit erklärt, dass unsere Fähigkeiten seit Halloween geschärfter waren. Was zur Folge hatte, dass wir die Anwesenheit der anderen
Erben
häufig erahnen konnten. Sie war blöd genug mir ebenfalls zu erläutern, dass sie mich nicht so leicht spüren konnte, weil meine Fähigkeit nur rudimentär ausgebildet war und von mir
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