Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
protestiert, doch der Graf war unerbittlich geblieben.
» Es ist eine Ehrensache « , hatte er ihr gesagt. » Es gibt leider jene, die glauben, dass der Nacht und meiner Ehre am besten Genüge getan würde, indem man eine Rückkehr der Herolde zu den Stromlanden vereitelt, damit sie dort nicht berichten können, was sie gesehen haben. «
Ihre Blicke trafen sich in einem Einverständnis, das so sauer war wie der Geschmack der Dulkatblätter. » Selbst wenn sie nicht unsere Gäste wären « , hatte sie langsam gesagt, » haben sie ihr Leben für das Haus der Nacht riskiert, indem sie in die Alte Burg gingen. Mord wäre eine armselige Vergeltung für diese Schuld. «
» Offenbar würde solch eine Tat nicht alle Gesetze und Kodizes verletzen, die ich geschworen habe aufrechtzuerhalten, auch wenn ich das zunächst dachte. Doch die Herolde sind keine Derai. Unsere Gesetze finden deshalb auf sie keine Anwendung. «
Asantir hatte den Mund höchst verächtlich verzogen. » Mord ist Mord, egal, wie man es verpackt. « Sie hatte nicht hinzugefügt, dass die Herolde wahrscheinlich schwieriger zu töten waren, als die meisten in der Burg der Winde annahmen. Das war schließlich nicht, worum es ihr oder dem Grafen ging. » Solch eine Tat würde Euren Namen und den der Nacht beschmutzen. «
» Und deshalb « , sagte der Graf, » müsst Ihr höchstpersönlich für ihre Sicherheit während der Reise sorgen, während ich diejenigen, die ihnen Böses wollen, hier beschäftigen werde. Ich verlasse mich auf Euch, Ehrenhauptmann. «
Es war eine unheimliche Reise gewesen: Man fädelte sich durch die tiefen Spalten der Bergwände, die der einzige sichere Weg waren, wenn weit oben der Wallsturm kreischte und heulte. Die Herolde hüllten sich in tiefes Schweigen und sprachen nur selten. Alle anderen außer dem Goldenen Barden waren ebenfalls niedergeschlagen. Haimyr war sowohl gegen das Schweigen der Herolde wie auch gegen den verdrießlichen Ausdruck der Wachen einschließlich ihres Hauptmanns immun. Einmal hatte Asantir sogar Angst, dass die Wachen in Versuchung geraten könnten, ihre Laune dadurch aufzubessern, dass sie den Barden des Grafen endgültig zum Schweigen brachten. Doch schließlich hatte sie es geschafft, die Herolde sicher zu der Grenze des Walls zu bringen. Dort begann ihr langer Weg nach Süden. Sie selbst war ohne Zwischenfall wieder zur Burg der Winde zurückgekehrt.
Sie hatte dem Grafen umgehend Bericht erstattet und dann ihre Runden begonnen. Sie überprüfte die Wachposten und die Arbeit, die in ihrer Abwesenheit verrichtet worden war. Alles schien sicher, ruhig und ordentlich – sogar die gemischten Wachen aus Wachmännern und Priestern an den Portalen zur Alten Burg arbeiteten gut zusammen; wenigstens so weit, wie ihre Pflicht es von ihnen verlangte. Sie wusste, dass dies dem Einfluss von Sarus und Garan zu verdanken war, denn wann immer diese beiden vorangingen, folgten alle anderen.
Dennoch konnte Asantir eine gewisse Beunruhigung nicht abschütteln. Diese strich mit kalten Fingern über ihren Rücken. Asantir hatte das Gefühl, dass sie etwas übersehen oder überhört hatte; ein Zeichen, das sie hätte erkennen müssen und das zu ihrer Unruhe passte. Doch so sehr sie auch in Gedanken Leute, Orte und Ereignisse Revue passieren ließ, sie konnte nicht herausfinden, was nicht stimmte oder ungewöhnlich war.
Asantir versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen, und schüttelte ihn. » Bin nur müde « , murmelte sie, » und erschrecke mich vor jedem Schatten wie ein neuer Rekrut. « Sie brauchte nur eine Nacht gut zu schlafen, je eher, desto besser. Doch das Unbehagen blieb und geisterte auf leisen Schwingen mit ihr den Flur entlang in das abgewetzte Büro, das ihr als Hauptmann der Ehrenwache zustand.
Sogar jetzt, nach fast fünf Jahren als Hauptmann, betrat Asantir den Ehrenraum immer noch mit einem Gefühl der Befriedigung, obwohl darin nur sehr wenig stand, das ihr gehörte. Die verkratzten und abgewetzten Möbelstücke gehörten zu dem Büro. Der fröhlich gestreifte Teppich, der vor dem Schreibtisch lag, hatte ihrem Vorgänger gehört. Nhairin hatte ihr das Holzschreibpult geschenkt, die fein gearbeitete Silberlampe stammte von Haimyr und war ein Geschenk aus seiner Geburtsstadt Ij. Die Zwillingsschwerter, die stolz auf der Truhe der Kriegskasse prangten, waren unzweifelhaft ihre. Doch die Waffen an der Wand, die Kurzspeere, Bögen und spiegelblank glänzenden Schilde, waren eine Mischung aus eigenen und
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