Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
aus Steinen und Lehm, viel Staub und Blätter auf dem Boden, aber keine Knochen oder tote Tiere. Anscheinend hatte sich kein Raubtier hierher verirrt.
» Ist das ein Keller? « , fragte sie, während sie sich langsam um sich selbst drehte und zusah, wie sich Licht und Schatten über die Wände jagten. » Und wenn ja, warum sind da Bilder auf den Steinen? «
Kalan kam näher. » Das ist noch eine Jagd « , sagte er. » Sieh mal, da sind die Hunde und da die Jäger, die ihnen folgen. Aber diese Zeichnungen sind viel primitiver als die über dem Torbogen. Sie müssen aus einer sehr frühen Zeit stammen. Allerdings würde man so etwas nicht in einem Keller erwarten. «
» Nein « , stimmte Malian zu, » aber hier ist es trocken und nicht windig, deshalb schlage ich vor, dass wir bleiben. «
Kalan nickte und setzte sich schwerfällig an eine Wand. Er war immer noch sehr blass, und Malian sah ihn besorgt an.
» Ich kümmere mich um die Pferde « , sagte sie, » und dann um deine Wunde, wenn du meinst, dass es nicht dringend ist. «
Er nickte mit geschlossenen Augen, also versorgte sie die Pferde und hoffte, dass dieser Ort so sicher war, wie er erschien. Malian erschauerte, als sie an den schrecklichen Schrei des Nachtmahrs dachte. Sie fragte sich, ob er sie trotz des Sturms jagen würde oder ebenso Schutz suchen musste wie sie. Sie hoffte, dass das Wetter ihre Verfolger zum Aufgeben zwingen würde – und dass Kalan sich so weit erholte, dass er einen weiteren Schild errichten konnte.
» Wir brauchen ein Feuer « , sagte sie.
Er öffnete die Augen. » Trauen wir uns das? «
» Spürst du nicht, wie kalt es bereits ist? « , fragte Malian. » Dabei weht hier kein Wind. Heute Nacht wird es noch schlimmer werden. Und auch wenn die Wunde nicht tief ist, muss sie gesäubert werden. «
Sie versuchte, sich an das zu erinnern, was die Wachen über das Feuermachen in der Wildnis gesagt hatten.
» Die Decke ist hoch, deshalb sollte der Rauch kein Problem sein, solange das Feuer klein und das Holz trocken ist. « Sie wandte sich dem Tunneleingang zu. » Ich gehe am besten los, bevor es dunkel wird. «
» Sei vorsichtig « , sagte Kalan, aber er versuchte nicht, sie aufzuhalten.
Draußen war es bitterkalt, und Malians Herz machte jedes Mal einen Satz, wenn der Wind durch die Felsen pfiff oder in den Ruinen heulte. Doch nichts geschah, und sie fand genügend trockenes Holz unter dem dichten Gestrüpp. Sie musste mehrmals gehen, um alles, was sie entdeckte, nach unten zu bringen, doch das störte Malian nicht, denn aus einigen wenigen Zweigen und Blättern entstand rasch ein wärmendes Feuer.
Es war erstaunlich, wie sehr das Feuer die Stimmung hob – und außerdem sorgte es dafür, dass Malian Wasser kochen und Kalans Wunde verbinden konnte. Sie verzog voller Mitgefühl das Gesicht, als er seine Jacke auszog und frisches Blut über sein bereits blutgetränktes Hemd lief. Als sie ihm half, das Hemd auszuziehen, sah sie erst, wie viel Glück er gehabt hatte. Die Klinge hatte das Fleisch unter der Achselhöhle aufgerissen, war aber nicht tief eingedrungen. Als Kind eines Kriegerhauses kannte sie die Gefahren von Infektionen, deshalb säuberte sie die Wunde so sorgfältig, wie sie es vermochte. Danach hockten sie sich dicht ans Feuer und dachten an den wolkenverhangenen Tag über ihnen, der schon bald zu einer frostigen, stürmischen Nacht werden würde.
» Ich bin froh, dass wir nicht mehr da oben sind « , sagte Malian, während sie dem Heulen des Windes lauschte. Sie stützte ihr Kinn auf ihre angewinkelten Knie und sah Kalan durch die Flammen an. » Bist du in der Lage, einen Schild zu errichten? «
Er nickte. Sie sah, wie sich sein Gesichtsausdruck veränderte, als er begann, sich auf Kräfte zu konzentrieren, die sie nicht sehen konnte. Sie versuchte sich vorzustellen, wie es wohl war, nach den herabgestürzten Steinen des Turms zu greifen und nach der dunklen Luft im Eingang – und daraus eine Illusion von Stein auf Stein zu errichten, die den leeren Torbogen zu einer Mauer machte. Kalan musste die Steine mit Dornengestrüpp versehen, damit sie sich nicht vom Rest des Turms unterschieden, und die Hügelkuppe mit einem unsichtbaren Kreis umschließen.
Kalan ließ sich zurücksinken, Schweiß stand ihm auf der Stirn und der Oberlippe.
» Erledigt! « , sagte er, und Malian konnte sehen, wie erschöpft er war. Sie rollte seine Decke auseinander und deckte ihn damit zu. Er trug noch immer ihren Umhang. Dann legte sie
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