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Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Lowe
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raumgreifender. Nhairin fluchte innerlich und bemühte sich, nicht zurückzubleiben.
    Im privaten Sitzungszimmer des Grafen hatten einst ebenso wie in der Großen Kammer die Zusammenkünfte der Neun Häuser stattgefunden. Es lag neben der Hohen Halle. Die Große Kammer glitzerte durch Metalleinlegearbeiten und wertvolle Edelsteine. Edle Hölzer glänzten in ihr. Die Kleine Kammer war im Vergleich dazu schlicht. Ein langer Tisch, der im Laufe der Jahrhunderte verkratzt worden war, sowie abgenutzte, aber bequeme Stühle standen dort. Dieser Raum war einer der wenigen Orte in der Burg, der verglaste, lange Dachfenster hatte, durch die man direkt auf den eisenfarbigen Himmel des Walls blickte. Die Fenster waren mit Metall durchzogen und vor den stürmischen Winden des Walls – oder was immer auf ihnen geritten kam – geschützt durch filigrane, stählerne Fenstergitter. Dennoch ließen sie mehr natürliches Licht durch, als es in der Burg üblich war. Jetzt fiel fahles Tageslicht auf die Gesichter des Grafen und seiner Gefährten. Es zeigte deutlich die Falten, die über Nacht noch tiefer geworden waren, und die von zu viel Tod und Entsetzen hinterlassenen Schatten.
    Auf dem Tisch lagen verstreut Pläne der Neuen und der Alten Burg. Der Graf hatte beide Fäuste auf den Tisch gelegt und studierte die Pläne mit gerunzelter Stirn. Im Kamin brannte ein Feuer, und auf einem Beistelltisch warteten Speisen, doch niemand aß. Stattdessen standen sie um den Tisch herum und runzelten genau wie der Graf die Stirn. Nhairin war die Einzige, die sich am Feuer aufwärmte. Sie betrachtete den Raum, während die Wachen kamen und gingen und die Ratsmitglieder sich versammelten.
    Der Kammerherr sah aus, als ob er einen Monat lang nicht geschlafen hätte. Der Meister des Kuriercorps der Nacht starrte unbewegt auf die Tischplatte. Khorion, der Leutnant des Tors, sah einfach nur leer aus. Nhairin nahm an, dass es hart sein musste, wenn man erwartete, die Hauptlast eines Angriffs zu tragen und dann das Tor nicht verlassen durfte, während in der Burg selbst der Kampf tobte. Sie zuckte mit den Schultern, wandte sich von den Gesichtern rund um den Tisch ab und hielt ihre Hände über die Flammen, die rosa und orange hinter dem Kaminrost tanzten.
    » Sie sind wunderschön, nicht wahr? « Die Stimme, die das sprach, war tief, aber sehr klar. Nhairin sah sich um und schaute in Rowan Birkenmonds Gesicht. Der Ausdruck der Winterdame war so ruhig wie ein Wintermorgen, doch Nhairin bemerkte, dass sie immer noch ihren Bogen über der Schulter trug. In ihrem Schatten stand ein Hund und schaute Nhairin mit dunklen, warnenden Augen an.
    Erneut zuckte Nhairin ein wenig säuerlich mit den Schultern, weil sie weder die Frau noch den Hund hatte hereinkommen hören. » Sehr schön « , sagte sie automatisch. In ihrem Inneren dachte sie allerdings, dass es vollkommen egal war, ob die Flammen schön waren oder nicht. Ihre eigene Stimme klang hart wie die einer Krähe und schien diejenigen am Tisch abzulenken.
    Der Graf schaute hoch. Sein Blick fiel direkt auf Rowan Birkenmond. Sein düsterer Ernst schien weicher zu werden, bis er beinahe Wärme ausstrahlte. » Wie geht es Eurem Tier? « , fragte er.
    Rowan Birkenmond schüttelte den Kopf. » Wenn die Götter uns wohlgesinnt sind, wird sie überleben. «
    » Ja. « Seine Stimme war nüchtern. » Es war eine Nacht für den Schweigenden Gott. Wir müssen darauf vertrauen, dass der Tag Meraun, dem Heiler, gehört. « Sein finsterer Blick ging an ihr vorbei. » Nhairin « , sagte er. Das war gleichzeitig Erkennen, aber auch Frage, als ob er sich wunderte, warum sie die Einzige war, die nichts zu berichten hatte.
    » Jetzt « , überlegte Nhairin, » wäre der richtige Zeitpunkt, den Mund aufzumachen und Korriyas Botschaft zu überbringen. « Sie fing an, ihre Worte zu wählen, doch bevor sie sprechen konnte, erklang aus der Halle draußen Getöse. Kurz darauf schwang die Tür weit auf, und Asantir kam herein. Ihren Helm hatte sie unter einen Arm gesteckt. Der gepolsterte Verband an ihrer Schulter war blutbefleckt. Haimyr, der Goldene, schlüpfte hinter ihr herein. Der finstere, abwägende Blick des Grafen heftete sich auf seinen Hauptmann der Ehrengarde. » Endlich! « , sagte der Graf.
    Der Kammerherr beugte sich nach vorn. » Ja, Euer Bericht ist äußerst wichtig, Hauptmann. Es gibt so viel, das wir wissen müssen. Ist die Burg bereits abgesichert? Und die Erbin – hat man sie gefunden? «
    » Die Neue Burg «

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