Die Erbin der Nacht: Roman (German Edition)
nicht erst, die Worte abzuschwächen. Dann wartete sie auf den Zornesausbruch des Grafen. Sie war mehr als überrascht, als dieser ausblieb. Der Graf setzte sich einfach hin und sah nachdenklich aus. » Korriya, hm? « , sagte er schließlich in einem Ton, der zu seinem Gesichtsausdruck passte. Teron, der einige Schritte hinter ihm stand, sah entrüstet aus; die Ratsmitglieder am Tisch missbilligend.
» Das Recht der Sippe und des Blutes « , sagte der Graf, als ob er laut nachdächte. » Wenn sie so weit geht, muss es wichtig sein. Auf jeden Fall kann ich es nicht zurückweisen. «
» Mein Lord! « , protestierte der Kammerherr, » Ihr werdet sie doch sicherlich nicht hierherkommen lassen. Der Blutschwur, das Gesetz! « Er schüttelte bestürzt den Kopf.
» Das Tor « , sagte der Graf trocken, » ist nach dem, was ich höre, ohnehin zerbrochen. Ich werde sicherlich nicht dorthin gehen, damit meine Oberste Angehörige mich über die Ruinen hinweg anschreien kann. Es ist meine Entscheidung « , fügte er sanft hinzu, » und bricht, soweit ich mich erinnere, nicht den Eid. «
» Aber die Tradition … « , begann der Kammerherr. Er schwieg, als er den Ausdruck in den Augen seines Grafen sah.
» Sie hat das Recht der Sippe und des Blutes beschworen « , wiederholte der Graf, » und das liegt sowohl unserem Gesetz als auch unserer Tradition zugrunde. «
» Erstes und ältestes « , murmelte Asantir in der Stille. Alle starrten sie an. Sie zuckte mit den Schultern und fuhr bei der Bewegung leicht zusammen. » Nun, es ist wahr, oder nicht? « Sie wandte sich an den Grafen. » Ich wollte ohnehin zum Tempelviertel. Nachdem Nhairin mit mir gesprochen hatte, habe ich mir erlaubt, unsere Angehörige hierherzubegleiten. Mir schien « , fügte sie wohlüberlegt hinzu, » wenn die Angelegenheit so wichtig ist, dass man sie beschleunigen sollte. Falls Ihr sie nicht zu sehen wünscht, nun, dann … « , sie zuckte erneut kaum wahrnehmbar mit den Schultern, » hätte man die Priesterin genauso leicht wieder zurückbegleiten können. Sie wartet jetzt draußen. «
Also war der Lärm in der Halle doch nicht nur Asantirs Ankunft zu verdanken. Nhairin schüttelte den Kopf. Die Ratsmitglieder starrten den Hauptmann der Ehrengarde mit weit offenen Mündern an. Sogar das Gesicht des Grafen war eine Maske, während er sie musterte. Doch schließlich nickte er kurz. » Ihr seid kühn, Asantir « , sagte er. » Doch das ist schließlich einer der Gründe, warum ich Euch zum Hauptmann der Ehrengarde ernannt habe. « Seine Finger trommelten kurz auf dem Tisch. » Dann bringt Ihr sie wohl besser herein. « Er sprach ruhig, als ob das jeden Tag vorkäme und nicht das erste Mal in fünfhundert Jahren wäre.
» Als ob die Welt noch nicht genug Kopf stünde « , dachte Nhairin. Sie spürte wieder den scharfen, bitteren Schmerz in ihrem Bein und sah sich im Raum um. Der Kammerherr wirkte immer noch entrüstet, Khorion runzelte die Stirn, und Teron starrte finster auf seine Füße. Asantir ging zur Tür. Jiron schaute auf den Tisch hinunter und Antiron gegen die Wand. Haimyr zog seine Augenbrauen leicht fragend hoch, sah aber ansonsten gelassen aus. Kein Wunder, er war auch ein Außenstehender. Nhairin machte sich nicht die Mühe, Rowan Birkenmond anzusehen. Sie wusste, dass die Winterdame sich von solchen Vorkommnissen wie immer fernhielt.
Die Tür öffnete sich erneut. Herein kamen Asantir und die große, in eine Robe gekleidete Gestalt Korriyas. Die Priesterin schlug ihre Kapuze zurück, als sie eintrat. Ihre Erschöpfung und ihre Trauer waren für alle gut erkennbar. Nhairin konnte einen Anflug von Bewunderung für ihre Geradlinigkeit und Ruhe in diesem Kreis feindlicher Blicke nicht unterdrücken. Korriya verbeugte sich mit ernster Würde zur Begrüßung des Grafen.
» Korriya « , sagte der Graf der Nacht, erwiderte aber ihre Verbeugung nicht. Er zögerte und fügte dann hinzu: » Es ist lange her. «
Die Priesterin neigte den Kopf. » Ich würde Euch auch jetzt nicht belästigen « , antwortete sie, » wenn es nicht absolut notwendig wäre. «
Der Graf kniff die Augen zusammen. » Das Recht der Sippe und des Blutes setzt immer eine Notwendigkeit voraus. Alles andere wäre unter den Umständen auch inakzeptabel. « Hinter dem ruhigen Ton verbarg sich ein Anflug von Gefahr, doch Korriya blieb ruhig.
» Es ist ebenfalls « , sagte sie, » eine Frage des Blutes – eine Blutangelegenheit. «
Umgehend ertönte ein Aufschrei, doch der
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