Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
schlechten.«
»Die Erinnerung an etwas Schönes bleibt für immer, auch wenn später schlimme Dinge geschehen. Du machst es dir zu leicht, indem du einfach sagst: Ich habe sie alle vergessen.«
» Du machst es dir zu leicht. Du kannst das Rad nicht dreißig Jahre zurückdrehen zu einem Tag und zu einem Traum, den es niemals wirklich gegeben hat, nur weil du dich zu erinnern meinst, dass wir ihn besessen hätten.«
»Alexandra … bitte … du leugnest doch nur, dass da mehr war …«
»Du leugnest die Wirklichkeit, Wenzel.«
Er versuchte es anders. »Ich bin nicht nur gekommen, um mich zu verabschieden. Tatsächlich wollte ich versuchen, dich zu überreden …«
Alexandra schüttelte den Kopf. »Nein. Ich werde mit Mama und Andreas’ Familie zurückreisen, sobald die Wege frei sind und Lýdie den Transport übersteht.«
»Du hast zu viel Angst davor, der Tatsache ins Gesicht zu sehen, dass die Realität auch nicht das ist, was du dafür hältst!«
»Ich habe Angst davor, dass du mich zu einem Punkt in meinem Leben zurückbringst, den ich schon überwunden habe.«
»Überwunden? Du meinst: verdrängt.«
»Nein, ich meine überwunden. Ich weiß schon, was ich sage. Überwunden – zurückgelassen, verdaut, verkraftet, bewältigt . Es ist Vergangenheit, und alles, was in meiner Erinnerung davon noch vorhanden ist, ist der Schmerz, den ich davon hatte!« Bestürzt sah er, dass sie sich eine Träne von der Wange wischte.
»Was für einen Schmerz habe ich dir bereitet, den du mir nicht tausendfach bereitet hättest? Du weißt doch, dass ich dir niemals wehtun wollte.«
Ihr Gesicht verzog sich ärgerlich. »Du verstehst es nicht.«
»Dann erklär es mir.«
»Es ist Vergangenheit! Hör endlich auf, darin herumzubohren. Es ist Vergangenheit!«
Lýdie gab ein Geräusch von sich und schlug dann die Augen auf. Sie starrte sie verwirrt an. »Was ist los?«, flüsterte sie. »Worüber streitet ihr?«
»Über nichts«, sagten Wenzel und Alexandra gleichzeitig, und Wenzel schluckte, als er erkannte, dass die Ausrede wahrerwar, als er es gern gehabt hätte. Nichts schien es tatsächlich in den Augen Alexandras zu sein, was ihn all die Jahre hatte hoffen lassen, dass eines Tages auch ihre Geschichte zum richtigen Abschluss kommen würde.
»Ich habe solchen Durst«, sagte Lýdie.
»Ich hole dir etwas, mein Schatz. Keine Sorge.«
»Gehst du fort, ehrwürdiger Vater?«
»Wenzel«, sagte Wenzel mechanisch.
Lýdie lächelte schwach. »Papa wäscht mir den Mund mit Seife aus, wenn ich es an Respekt fehlen lasse, hat er gesagt.«
»Ich würde es ihm nicht verraten«, sagte Wenzel lahm. Aber Lýdie hatte die Augen bereits wieder geschlossen. Ihre Lippen waren blass und trocken. »Auf Wiedersehen, Lýdie. Gott sei mit dir.«
»Danke, ehrwürdiger Vater.« Es war kaum mehr als ein Wispern.
Alexandra nahm Wenzel am Arm und schob ihn zur Tür hinaus. Draußen blieb sie stehen und hielt ihm die Hand hin. »Lass uns nicht so voneinander scheiden«, sagte sie. »Als mir klar wurde, dass du und Melchior hinter Mama und mir hergereist seid, als wären wir außerstande, uns um uns selbst zu kümmern, habe ich mich zuerst geärgert, aber mittlerweile weiß ich, dass ich es ohne deine Unterstützung nicht gewagt hätte, Lýdies Arm zu retten. Ich danke dir …«, sie drückte ihm die Hand und sah ihm in die Augen, »… ich danke dir, bester Freund. Verzeih, dass du niemals mehr sein wirst …« Sie wandte sich ab.
»Du lügst«, sagte er mit schmerzender Kehle.
»Leb wohl, Wenzel. Bete für den Frieden und dass wir uns an einem Tag wiedersehen, an dem Glaube, Liebe und Hoffnung endgültig gewonnen haben.«
Sie wollte ihm ihre Hand entziehen, doch er hielt sie fest, dann zog er sie an sich und umarmte sie. Sein Herz schlugihm bis zum Hals. Sie war zuerst steif wie ein Stück Holz, aber plötzlich erwiderte sie seine Umarmung. Es trieb ihm Tränen in die Augen. Er drückte sie noch stärker an sich, und sie wehrte sich nicht.
»Du lügst«, wiederholte er heiser.
»Alle lügen«, hörte er sie undeutlich sagen. Ihre Stimme war kaum verständlich.
»Willst du die Wahrheit hören, Alexandra? Die Wahrheit ist, dass ich, ohne zu zögern…«
»Sag es nicht«, stieß sie hervor.
»Nein, lass mich. Du glaubst nur, du weißt, was mir etwas bedeutet. Aber ich würde sofort …«
Sie machte sich los und stieß ihn so grob von sich, dass er ein paar Schritte zurückstolperte und mit dem Rücken gegen die Wand stieß. »Sag es
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