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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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dort das müde Greinen eines Kindes, aber niemand sagte ein Wort. Ein Pferd schnaubte, bei einem anderen klimperte das Zaumzeug. Die Bürger Braunaus standen als jämmerliche Wand aus Leibern jenseits des zerstörten Torbaus. Samuel ließ die Zügel locker, und sein Pferd schritt so lange voran, bis sein nächster Schritt es mitten unter die Menge getragen hätte. Es blieb stehen und schüttelte nervös den Kopf.
    Samuel gab die Blicke der paar Hundert Menschen schweigend zurück. Ebba hatte erwartet, dass er seine Pistolen ziehen würde, aber er saß nur auf seinem Pferd und erwiderte das Starren. Nach mehreren Augenblicken ertönte ein Rascheln und Schlurfen, das in der Stille wirkte, als reiße jemand den Belag der Gasse auf, und eine widerwillige Bewegung kam in die braunen und grauen Leiber. Sie wichen vor ihm zurück und zur Seite, und ein Pfad tat sich auf. Samuel wartete mit einer angsteinflößenden Geduld, bis die Menge sich vollends geteilt hatte und hinter ihr das Ende der Gasse sichtbar wurde. Dann tippte er sich an die Krempe des Hutes und trieb sein Pferd an. Es schritt mit zitternden Flanken und peitschendem Schweif zwischen den Menschen hindurch. Ebba empfand nicht einmal Verachtung für sich selbst, auch wenn sie ihm so dichtauf folgte, dass ihr eigener Gaul den Kopf abwenden musste, weil ihm der Schwanz von Samuels Pferd in die Augen schlug. Ihre Blicke wanderten über die Gesichter, die scheinbar ausdruckslos zu ihnen emporschauten – mattes Haar, Schmutz in verfrühten Gramfalten, harte Linien von den Nasenflügeln zu den Mundwinkeln, zusammengepresste Lippen … Augen, die wie Wunden waren und in denen eine Frage stand, diesie nicht verstand. Sie sah sich um. Die Småländer folgten ohne Zögern nach. Keiner von ihnen hatte eine Waffe gezückt oder auch nur die Hand am Griff eines Rapiers. Auch Alfred Alfredssons Hände hielten beide die Zügel fest, der lederumwickelte Griff seines Berserkerknüppels ragte frei aus dem Sattelköcher heraus und nickte im Takt der Schritte seines Gauls.
    Samuel zügelte sein Pferd, und Ebba spähte an ihm vorbei. Ein kleines Kind in einem Hemdchen und mit bloßen Beinen, die Füße mit Lumpen umwickelt, stand inmitten der Gasse und schaute zu ihm empor. Es war das vielleicht Erschreckendste an ihrem Weg durch die Menge: dass es so lange dauerte, bis eine Frau aus der zweiten oder dritten Reihe sich stumm nach vorne drängte und das Kind hochhob. Es weinte nicht, es protestierte nicht, es schaute nur. Samuel tippte erneut an die Krempe seines Hutes.
    »Gott mit dir«, sagte er auf Schwedisch. Die Frau erwiderte nichts. Sie schob sich nach hinten in die Menge hinein und verschmolz wieder mit ihr. Samuel schnalzte mit der Zunge, und sein Pferd setzte sich wieder in Bewegung.
    »Mm-mm!«, machte Alfred halblaut hinter ihr. Sie drehte sich zu ihm um. Er sah auf ihre Hand, die gerade ihre Börse losmachen und der Frau und dem Kind hatte zuwerfen wollen. Alfreds Augen waren vollkommen ohne Ausdruck. Er schüttelte kaum merklich den Kopf.
    Sie ließ die Börse los und ergriff den Zügel wieder. Ihre Hand zitterte.
    Alfred nickte und ließ den Schatten des Schattens eines Lächelns sehen.
    Samuel und die ersten der Småländer, einschließlich Ebbas, waren bereits draußen auf dem Marktplatz, als der letzte der Männer den schweigenden Mob passiert hatte; es war Björn Spirger, den Ebba gleich nach Samuel und Alfred als den Umsichtigsten der Männer kennengelernt hatte.Spirgers Gesicht war so verwegen-hässlich wie das eines geborenen Faustkämpfers, aber jetzt war es bleich und wirkte eher wie das eines Knaben denn eines Mannes. Eine Brise wehte über den Marktplatz und ließ Ebba erschauern – sie war schweißnass.
    Dann geschah das, was sie gefürchtet hatte – jemand rief ihnen etwas hinterher. Samuel wendete sein Pferd. Die Gasse durch die Menge war offen geblieben, und irgendwie hatte es der Krüppel in seinem Leiterwagen geschafft, sich hindurchzuquälen. Er war ein paar Schritte vor dem äußeren Rand der Meute zum Halten gekommen und starrte sie an.
    »Was gibt’s?«, fragte Samuel, der zu Ebbas Überraschung ebenso gut die hiesige Sprache beherrschte wie sie.
    Der Krüppel hob die Hand, mit der er ihnen stundenlang zugewunken hatte. Ebba konnte nicht anders, als die verkrümmte Klaue anzustieren; sie hatte das Gefühl, als fasse diese Hand über die zwei Dutzend Schritte Entfernung zu ihr herüber.
    »Der Abt …«, stammelte der Alte. »Habt ihr den Abt

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