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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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heißt, im Wald zu schlafen«, sagte Wenzel. Von seinen sechs Mönchen war Stöhnen zu hören.
    »Wir können nicht im Wald schlafen«, sagte Alexandra ungeduldig. »Da sind wir morgen alle erfroren.«
    »Na dann …«, sagte Wenzel fröhlich. Er musterte sie. »Ich habe jedenfalls das Gefühl, dass dir eine Pause guttun wird.«
    Alexandra, der nur ein Parforce-Ritt durch die Nacht hindurch halbwegs gutgetan hätte, um die gärende Ungeduld zu bekämpfen, zwang sich ein Lächeln ab. Sie verfluchte sich dafür, Wenzel und seine Mönche nicht einfach doch in Bamberg sitzen gelassen zu haben. Es hatte schon schlecht angefangen, als sich herausgestellt hatte, dass Wenzel und seine Glaubensbrüder zu Fuß gingen und nicht zu bewegen waren, auf Pferde umzusteigen. Schließlich hatte Wenzel gefragt, warum Alexandra es so eilig habe. Darauf hatte es nicht wirklich eine Antwort gegeben außer der unaussprechlichen Wahrheit, und so war sie nun zwei Tage lang neben den Brüdern hergezockelt, innerlich schreiend vor Nervosität und wütend auf sich selbst, nicht einen Bogen um Bamberg gemacht zu haben. Dabei waren die Möncheerstaunlich schnell gewesen – ihr Marsch hatte fast wie ein kräftesparender Dauerlauf ausgesehen. Allein und zu Pferd hätte Alexandra Grafenwöhr wohl am Morgen des heutigen Tages erreicht; jetzt war es später Nachmittag. Doch irgendwann auf den vielen Meilen zwischen hier und Prag würden die Mönche sie so sehr verlangsamen, dass ihre rechtzeitige Rückkehr nach Würzburg in Gefahr geriet. Sie musste sie loswerden – besser heute als morgen!
    Sie suchten sich einen Weg durch die Häuser bis zur Kirche des Ortes. Der Schnee war niedergetreten und schmutzig in den Gassen, aber nicht so sehr, wie Alexandra es vermutet hatte. Es schien, dass sich nicht viele Seelen hier bewegten. Der Zustand der kleinen Stadt erinnerte sie an den zerstörten Teil Wunsiedels – leer stehende oder verrammelte Häuser und das Gefühl, dass aus manchen Kellerlöchern und hinter brüchigen Fensterläden hervor Augen einem nachspähten. Das und die Tatsache, dass Wenzel sie schon nach den ersten Häusern gleich innerhalb der an vielen Stellen zerstörten Stadtmauer genötigt hatte, vom Pferd zu steigen, und nun neben ihr hertrottete, den Kopf unablässig in alle Richtungen drehend, als würden hinter jeder Hausecke Räuber warten, erinnerte sie plötzlich wieder an den schwedischen Offizier – Samuel Brahe. Als er und sein Wachtmeister Alexandra und Agnes aus Wunsiedel hinausgebracht hatten, war die Situation ähnlich gewesen. Der Gedanke weckte auch die Erinnerung an den Liebesakt in dem zerstörten Haus. Sie warf Wenzel unwillkürlich einen Seitenblick zu und war froh, dass er die Augen abgewendet hatte.
    Auch die Kirche war mit Brettern und Läden verrammelt. Es war offensichtlich, dass die Fenster schon vor langer Zeit herausgebrochen worden waren – Glas konnte man verhökern, und die Bleifassungen konnte man zu Musketenkugeln einschmelzen. Salve auf Salve hatten in nicht wenigenSchlachten Köpfe zerschmettert, Glieder abgerissen, Därme zerfetzt und Männer in blutige Bündel verwandelt, und die Kugeln, die in diesen Salven herangeflogen waren, waren zuerst Kruzifixe oder die Attribute von Heiligen in geplünderten Kirchen gewesen. Aus den Ritzen zwischen den Brettern sickerte müdes Licht.
    Sie stapften zum Hauptportal. Wenzel probierte, die Tür zu öffnen. Sie war verschlossen. Er zuckte mit den Schultern und schlug dann mit der Faust dagegen. Gedämpft hörte Alexandra Schreie und das erschrockene Weinen von Kindern. Sie und Wenzel starrten sich an.
    »Im Namen Gottes!«, trompetete der kleine Bruder Cestmir. »Wir sind Benediktiner. Ihr habt nichts zu fürchten, egal ob protestantisch oder katholisch. Lasst uns rein.«
    Wenzel flüsterte: »Du hättest das mit dem Fürchten nicht sagen sollen. Das behaupten alle, vor denen man sich in Acht nehmen muss.«
    Cestmirs Mund formte ein verlegenes O. »Ah«, sagte er dann und räusperte sich. »Ich nehme das mit dem Nichts-zu-fürchten-Haben wieder zurück!«, rief er.
    Alexandra fuhr herum. Wenzel riss die Augen auf. Cestmir zuckte mit den Schultern.
    »Hör mit dem Unfug auf!«, zischte Wenzel.
    »Also, wir wissen selber nicht, ob ihr was zu fürchten habt oder nicht!«, verkündete Cestmir. Wenn er wollte, besaß seine Stimme die Tragfähigkeit eines Jagdhorns.
    Wenzel breitete fassungslos die Arme aus. »Welcher Narr hat dich eigentlich vom Novizen zum Mönch

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