Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
befördert?«
»Du warst das, ehrwürdiger Vater. Du hast gesagt, ich müsse nur meine Zunge mit meinem Hirn verbinden, dann wäre ich vollkommen.«
»Offenbar ist dir das noch nicht gelungen.«
»Ich arbeite täglich an mir, ehrwürdiger Vater.«
Wenzel hob die Faust, um erneut an das Kirchenportalzu hämmern, doch da scharrte innen ein Riegel, das Portal ging einen Spalt weit auf, und ein verhärmtes Gesicht spähte misstrauisch heraus. »Was habt ihr gesagt?« Der Blick des blassen Mannes fiel unwillkürlich auf Cestmir, der breitbeinig vor dem Kirchenportal stand wie ein Zwingvogt.
Cestmirs Daumen zuckte zu Wenzel. »Ihr habt nichts von uns zu befürchten, aber unser ehrwürdiger Vater sagt, wir sollen es euch nicht verraten.« Sein Lächeln hätte sogar einen abgebrühten alten Quacksalber dazu gebracht, voller Vertrauen seine eigenen Elixiere zu trinken.
»Wie bitte?«
Wenzel schob Cestmir beiseite. Alexandras Blicke und die des kleinen Mönchs begegneten sich. Cestmir zwinkerte ihr zu. Sie konnte nicht anders, als zu lächeln. Ihr Vater Cyprian kam ihr in den Sinn. Auch er war, wenn er wollte, zu solchen Manövern fähig. Der Wunsch, ihn jetzt an ihrer Seite zu haben, war wie ein Stich, und ihr Lächeln erlosch. Jedenfalls – gut gemacht, Bruder Cestmir. Wer weiß, ob die Leute dort drinnen sonst die Tür aufgemacht hätten.
»Wir sind Benediktinermönche aus der Markgrafschaft Mähren«, sagte Wenzel zu dem Mann, der durch den Türspalt spähte. »Wir begleiten eine Dame nach Hause und bitten um Unterkunft.«
Die Augen des blassen Mannes blinzelten. »Hier könnt ihr nicht bleiben«, sagte er. Seine Augen wurden abweisend.
»Es ist zu dunkel, um noch eine andere Ortschaft zu erreichen.«
»Hier könnt ihr nicht bleiben!«
»Wir würden bezahlen …«
Die Lippen des Mannes begannen zu zittern. »Ihr versteht das nicht«, krächzte er. »Ihr könnt nicht bleiben. Geht … bitte … geht!«
Plötzlich erkannte Alexandra, dass es nicht Abneigung war, die die Augen des Mannes stumpf sein ließ, sondernFurcht, und dass seine Stimme nur so barsch war, weil ihr flehentlicher Unterton sie brüchig sein ließ.
Wenzels Augen verengten sich. »Was ist hier los?«
»Bitte … geht …!«
Das Gesicht verschwand. Wenzel trat einen Schritt vor und stellte den Stiefel in den sich schließenden Türspalt. Das Türblatt wurde dagegengedrückt und begann zu zittern, als sich mehrere Körper von innen dagegenwarfen. Wenzel ächzte.
»Autsch. Die meinen es ernst.«
Die Mönche kamen Wenzel zu Hilfe und stemmten sich von außen gegen die Tür. Ein kurzes Hin und Her entstand. Wieder wurden erschrockene Schreie von drinnen laut. Die Mönche entschieden den Kampf für sich und begannen, das Portal aufzudrücken. Das Gesicht des Mannes erschien wieder in der Spalte. Er rang die Hände.
»Geht … solange noch Zeit ist … ich flehe euch an …«
»Wer sind Sie?«
»Ich bin der Pfarrer. Bitte … noch könnt ihr fliehen …«
»Hören Sie, Hochwürden«, sagte Wenzel. »Wir können nicht mehr weiterreisen. Es ist Ihre Pflicht als Christ, uns ein Dach über dem Kopf zu geben. Und wenn wir Ihnen irgendwie helfen können … Wir wollen Ihnen gewiss nichts Böses. Sehen Sie …«
Er nahm den Fuß aus der Tür und legte stattdessen die Hand auf die Klinke.
»Ihr könnt uns nicht helfen! O mein Gott … o mein Gott!« Die Augen des Pfarrers wurden glasig vor Entsetzen. Bevor Wenzel reagieren konnte, drückte er das Kirchenportal zu. Der Knall echote durch die benachbarten Gassen. Sie hörten den Riegel scharren.
Dann spürte Alexandra, wie ihr ein Schauer über den Rücken lief, als hätte ein kalter Atem sie angeweht. Es geschah einen Herzschlag, bevor sie die Stimme hörte – als hätte sichder Wahnsinn vorangekündigt. Sie drehte sich so langsam herum wie jemand, der in zähem Leim gefangen ist.
Die Stimme sprach aus den Schatten heraus, und sie sagte: »Zu spät, meine Kinder … zu spät.«
Die Stimme gehörte einem dünnen jungen Mann mit einem eleganten Schnurr- und Kinnbart, deren Spitzen gezwirbelt waren wie Pfeilspitzen. Seine Augen flackerten so irre wie sein Grinsen, doch was einen am meisten erschreckte, war der Umstand, dass er trotz der klirrenden Kälte nur ein weites, an der Brust offenes Hemd trug. Sein Hut war der eines Edelmannes, aber er war ihm zu groß, und der klaffende Spalt, der an der Seite durch die Krone des Hutes ging, und die dunklen Flecken um den Spalt herum sagten, dass sein
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