Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Satz gegen die Kirchentür. Die beiden Knaben warfen sich zu Boden, die Hände über den Köpfen. Zwei der schwarzen Mönche krümmten sich zusammen und taumelten. Johannes’ Hut wirbelte davon, eines seiner Rapiere wurde ihm von der Hüfte gerissen und sprang in Stücke, während die Kugel, die es getroffen hatte, hinter ihm einen faustgroßenBrocken Putz aus der Kirchenmauer sprengte. Splitter und Fetzen von der Holztür regneten herab. Einer der schwarzen Mönche hing in der Luft, als schwebe er, dann prallte er mit einem der Schützen zusammen, und beide rollten ineinander verkeilt über den Boden. Wenzel lag still in einer dunklen Lache, so als hätte er niemals gelebt.
Alexandras Hand krampfte sich zusammen, um am Zügel zu reißen. Bruder Cestmir packte ihr Handgelenk.
»Weiter!«, schrie er, dann kam ein Schwall Blut aus seinem Mund, und er fiel vom Pferd und überschlug sich auf dem Boden, zwischen seinen Schulterblättern ein klaffendes Loch, und Alexandra wusste, der dumpfe Schmerz war von der Kugel gekommen, die Bruder Cestmirs Körper durchschlagen und sie selbst noch getroffen hatte, ohne sie zu verletzen. Johannes’ Männer luden hektisch nach. Sie konnte nicht anders – sie riss das Pferd herum. Es wieherte und rutschte über den gefrorenen Boden der Gasse und kam tänzelnd zum Stehen. Cestmir lag zwei Dutzend Schritte hinter ihr, bereits eins mit den Schatten.
Johannes stand vor dem Kirchenportal, barhäuptig. Ein dünner Faden Blut lief von seiner Stirn über einen Augenwinkel die Wange hinab. Die Kugel, die ihm den Hut vom Kopf gerissen hatte, musste ihn gestreift haben – eine neue Narbe, um sie vorzuzeigen. Es sah aus, als weine er eine blutige Träne. Neben ihm sank die nackte Frau langsam auf die Knie, der Oberkörper blutüberströmt, wo die austretenden Kugeln große Löcher hinterlassen hatten. Ihr Mund arbeitete. Die Knaben kreischten. Aus der Kirche ertönte vielstimmiges Geschrei. Alexandras Blicke saugten sich an der leblosen Gestalt Wenzels fest. Ein Gedanke flog durch ihren Kopf, eine flehentliche Bitte: Steh auf!
Johannes machte den Mund auf und schrie. Sein Gesicht verzerrte sich, bis es nichts Menschliches mehr an sich hatte. Er streckte den Arm aus und zielte auf Alexandra. Sein Fingerriss den Abzug der Pistole durch – klick! Er warf den Kopf in den Nacken und heulte. Klick! Klick! Klick! Er holte aus und warf die Pistole nach ihr. Sie schlitterte weit von ihr entfernt über den Boden. Der eine der Mönche, der sich auf den Schützen gestürzt hatte und diesen mit wilden Faustschlägen bearbeitete, wurde von mehreren Männern in die Höhe gerissen und dann mit Schlägen und Tritten wieder zu Boden geschickt. Die blutüberströmte Frau versuchte, auf den Knien zu ihren Söhnen zu rutschen.
Johannes fuhr herum und trat nach ihr. Die Wucht des Tritts ließ sie gegen das Portal fliegen und davon zurückprallen. Sie blieb liegen. Johannes sprang die wenigen Stufen vom Kircheneingang zur Gasse herunter und rannte brüllend auf Alexandra zu. Er sprang über den in seine Kutte verwickelten Leichnam Bruder Cestmirs, und einen irren Moment lang glaubte Alexandra, der kleine Mönch würde eine Hand ausstrecken und den Wahnsinnigen zu Fall bringen. Sie erinnerte sich, wie er zu Agnes gesagt hatte, dass eine Frau wie sie ihn und seine Kameraden sogar in die Hölle schicken könnte und sie würden dem Befehl freudig gehorchen. Tränen schossen ihr in die Augen.
Johannes hatte sie fast erreicht, beide Hände nach ihr ausgestreckt, zu Krallen gekrümmt. Er brüllte, dass ihm der Geifer aus dem Mund flockte.
Sie zerrte das Pferd herum und floh in gestrecktem Galopp in die Gasse. Hinter sich hörte sie das Röhren des Irren und die Flüche seiner Männer, dann wurden die Geräusche vom Echo ihres Galopps verschluckt.
Sie schrie selbst vor Wut und Schmerz, während sie sich über den Hals des Pferdes beugte, damit es noch schneller lief. Vor ihren Augen blitzten Tausende von Bildern auf: ein jugendlicher Wenzel, wie er versuchte, einen Automaten mit der schlüpfrigen Darstellung des Geschlechtsaktes vor ihr zu verbergen, den er im Abfall unterhalb der Prager Burg gefundenhatte; Wenzel, wie sein hoffnungsvolles Gesicht in sich zusammenfiel, als sie ihn bat, wegen Heinrichs von Wallenstein, dem Mann, der ihr Herz zum ersten Mal entflammt hatte, in der königlichen Kanzlei nachzufragen; Wenzel, der einsam weinend vor dem Grab Mikus gekauert hatte, ein paar Tage nach der Beerdigung, ohne
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