Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Botschafters.
»Ein Geschenk aus Frankreich, Exzellenz?«, fragte sie halblaut.
Der Botschafter nickte. »Etwas, das großes Gefallen erregt hat, wie ich erfahren durfte.«
»Sie sind die Großzügigkeit in Person, Exzellenz.«
»Schweden ist der wichtigste Verbündete Frankreichs und Königin Kristina meine bevorzugteste persönliche Freundin, wie Sie wissen.«
»Was ist es?«
»Ich will der Königin nicht die Überraschung verderben, Comtesse.« Er blickte ihr tief in die Augen. Chanut war gerade erst in Stockholm angekommen, als er sie eines Morgens mit einem Handkuss begrüßt hatte; einem Handkuss, bei dem seine Zunge plötzlich das Häutchen zwischen ihrem Ring- und Mittelfinger geleckt und er dabei etwas gemurmelt hatte, das wie eine Einladung in sein Haus klang. Ebba hatte ihm die Hand entzogen, sie betrachtet, wie nachdenklich über die feuchte Stelle gerieben – Chanut hatte hoffnungsfroh zu grinsen begonnen – und dann gesagt: »Nach dem, was man so hört, ist die Flinkheit Ihrer Zunge bei Verhandlungen unerreicht, Exzellenz.« Er hatte sich tief verbeugt und ihr keine weiteren Avancen mehr gemacht. Tatsächlich hatte er sich schon in den wenigen Tagen seit seiner Ankunft einen Ruf als außerordentlich erbärmlicher Liebhaber erarbeitet. Dennoch hatte sie sich seine ewige Wertschätzung errungen. Zum einen hatte er durch ihre Bemerkung den Eindruck gewonnen, dass sie eine blendend aussehende Spinne im Netz des Hoftratsches war, zum anderen wurde ihm durch das Ausbleiben spöttischer Bemerkungen klar, dass sie niemandem am Hof von der Episode erzählt hatte. Außer Königin Kristina natürlich, was er nie erfahren würde und die ihre eigene Wertschätzung Männern gegenüber nicht daran ermaß, ob sie die Nachtstunden zum Lesen ihrer Korrespondenz nützten, sie im Wein ertränkten oder sich damit vertrieben, dass sie die Weiblichkeit am Hof von ihrer Männlichkeit zu überzeugen suchten. Der Königin hatte es genügt zu erfahren, dass Ebba der Einladung des Botschafters nicht gefolgt war.
Die Wachen vor der Tür zu Kristinas Schatzkammer, die in Wahrheit eine Kunstsammlung war, rissen die Türflügel auf. Kristina führte ihre Begleiter durch eine Anzahl kleiner Kammern bis vor ein Podest, das mitten in einem der Räume stand und hinter dem eine Tranlampe brannte. Das Flämmchen beleuchtete eine geöffnete Schatulle. Die Besucher versammelten sich darum und gafften sie an, außer Pierre-Hector Chanut natürlich, der sich mit dick aufgetragener Bescheidenheit im Hintergrund hielt.
»Was ist das?«, fragte Jacob de la Gardie.
»Ein Fingerknochen«, sagte Ebba. »Eine Reliquie, Exzellenz?«
Chanut warf einen Blick zu Königin Kristina und lächelte dann. Kristina betrachtete das Kleinod mit offener Bewunderung. Ebba hütete sich, die sarkastische Bemerkung hinterherzuschicken, die ihr auf der Zunge lag.
»Und was für eine«, sagte der französische Botschafter.
»Spannen Sie die Herrschaften nicht auf die Folter, Pierre«, sagte Kristina. »Es ist ein wundervolles Geschenk, und Sie dürfen stolz darauf sein, es Uns gemacht zu haben.«
»Die Reliquie einer Gotteskriegerin für ihre Schwester in Herz und Geist«, erklärte Chanut.
»Der Knochen stammt von Jeanne d’Arc?«, fragte Ebba, während die anderen noch stumm die Lippen bewegten und das Rätsel zu lösen versuchten.
»Respekt, Comtesse.« Chanut verbeugte sich.
»Beeindruckend«, erklärte Ebba und verbiss sich den Nachsatz, dass die Bemerkung der »Schwester im Geist« für die fünfsprachige, in römischer Geschichte bewanderte, taktisch brillante und in Politikdingen so raffiniert wie der beste Diplomat denkende Königin von Schweden, die nebenher noch erfolgreich ritt, jagte und die Muskete handhabte, eine Beleidigung war: Jeanne war ein Bauernmädchen gewesen; sie war einer Bestimmung gefolgt, weil sie es nichtbesser wusste. Ebba ahnte, dass der Botschafter keine Beleidigung beabsichtigt hatte und die Königin es auch nicht so auffasste. Das Geschenk faszinierte Kristina von Herzen. Ebba setzte einen Blick auf, der sanfter war als zuvor und Chanut signalisierte, dass sie es ehrlich meinte: »Eine ausgezeichnete Wahl, Exzellenz.«
»Zu gütig, Comtesse.«
»Gibt es noch etwas, das Hoheit Ihrer Sammlung hinzugefügt haben und das ich noch nicht kenne?«, fragte Ebba.
Kristina wandte den Blick von der Reliquie ab und musterte Ebba. »In der Tat«, sagte sie. »Aber es ist noch nicht katalogisiert. Wer möchte, darf Uns gerne
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