Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
deren Cousine geheiratet hatte, war ebenfalls nicht mehr Teil des Zirkels. Der französische Botschafter Pierre-Hector Chanut gehörte hingegen dazu, ebenso der Bischof von Strångnås, Johann Matthiae, ein Protestant und Fantast, der tatsächlich überzeugt war, dass die vielen protestantischen Glaubensströmungen sich in einer einzigen zusammenfassen ließen, und Jacob de la Gardie, Magnus’ jüngerer Bruder, den Kristinas Ärger über den Verrat ihres einstigen Günstlings nicht getroffen hatte. Jacob wies alle Vorteile seines großen Bruders auf – Intelligenz, Schlagfertigkeit, ein hübsches Gesicht und vollendete Manieren –, ohne dessen Nachteile zu besitzen, nämlich Lüsternheit und absolute Unzuverlässigkeit, wenn es um Dinge wie Treue oder Loyalität ging. Ebba warf ihm einen Seitenblick zu, und Jacob schaute auf und erwiderte den Blick. Seine Augen leuchteten auf, und er grinste wie ein kleiner Junge. Ebba unterdrückte das Lächeln, das sich auf ihre Lippen stehlen wollte, und konzentrierte sich auf ihren Bericht. Sie war unsicher, wie weit sie ausführen sollte, wassie in Münster und Osnabrück belauscht hatte. Neuerdings gehörten auch zwei Männer in schwarzen Roben und dreieckigen Hüten auf dem Kopf zum Kreis um Kristina: Angehörige der Societas Jesu. Sie konnte nicht einordnen, was sie hier zu suchen hatten. Johann Matthiae schien es ähnlich zu gehen; er hüstelte und räusperte sich fortwährend, als ginge von den beiden Jesuiten ein scharfer Geruch aus.
»Was ist der Grund?«, fragte Kristina. Die Unterhaltung wurde französisch geführt, obwohl Botschafter Chanut die schwedische Sprache hervorragend beherrschte. Es war eine von diesen diplomatischen Protokollnotwendigkeiten, die Kristina gern befolgte, um ihre eigene Kenntnis fremder Sprachen zu beweisen.
»Abgesehen von den undurchsichtigen Winkelzügen von Kardinal Mazarin im Hintergrund, der absoluten Dämlichkeit von Graf Oxenstierna, dem Bemühen von Nuntius Chigi, nur ja nirgends anzuecken, der cholerischen Arroganz des kaiserlichen Unterhändlers Issak Volmar, der Kurzsichtigkeit von Kaiser Ferdinand, der lieber das ganze Reich verliert, als auch nur einen Bauernhof aus dem Habsburger-Territorium abzugeben, dem Neid von Adriaan de Pauw auf das Gepränge des Herzogs von Bourbon-Orléans, der Steifheit des spanischen Gesandten Gaspar de Bracamonte y Guzmán Conde de Peñaranda, der stets darauf besteht, mit seinem vollen Namen angesprochen zu werden …?«
Pierre-Hector Chanut neigte den Kopf und lächelte. »Treffsicher charakterisiert wie gewöhnlich, Comtesse Horn.«
»Abgesehen davon?«, fragte Königin Kristina.
»Nichts«, sagte Ebba. »Und das ist das Allerbefremdlichste daran. Alle brauchen den Frieden; soweit ich erkennen konnte, wollen ihn auch alle. Es liegt nur an Details …«
»Der Teufel steckt im Detail«, sagte Johann Matthiae und hüstelte erneut, als die beiden Jesuiten sich einen kurzen Blick zuwarfen.
»Sie nehmen mir das Wort aus dem Munde«, sagte Ebba.
»Was?«
»Es ist, als wäre der Teufel selbst daran beteiligt, alle Bemühungen zu untergraben. Manchmal gewinnt man den Eindruck, dies ist tatsächlich Armageddon, die Schlacht, die niemals endet, bis alles Leben auf der Welt erloschen ist.«
»Oh«, sagte die Königin und machte ein betroffenes Gesicht.
»Was empfehlen Sie, Comtesse?«, fragte Chanut.
»Es ist nicht meine Rolle, hier Empfehlungen auszusprechen. Ich habe nur beobachtet. Meine Notizen werden gerade für Ihre Hoheit zusammengestellt.«
»Beobachtet…« , murmelte einer der Jesuiten.
Ebba fasste ihn ins Auge. »Wollen Sie uns etwas sagen, Pater?«, fragte sie. Selbst der französische Botschafter blickte beim Klang ihrer Stimme auf. Die Temperatur im Raum war soeben um mehrere Grade gefallen. Jacob de la Gardie hielt den Atem an. Um die Lippen der Königin zuckte ein kaum wahrnehmbares Lächeln, doch dann machte sie ein strenges Gesicht.
»Schluss jetzt«, sagte sie. »Wir werden die Notizen von Gräfin Horn lesen und Sie dann zurate ziehen, meine Herren, wenn es nötig sein sollte. Und Schluss auch«, sie lehnte sich zurück und lächelte diesmal wirklich, »mit der Politik. Wir möchten Sie alle einladen in die Schatzkammer und Ihnen etwas Neues vorstellen.«
Chanut lächelte selbstgefällig in sich hinein, während die Königin ihnen voranschritt – wie üblich mit den langen Schritten und den schwingenden Armen eines Dragoners. Ebba gesellte sich an die Seite des
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