Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Hitze in sich auf, fühlte erneut das Schäumen, das sie innerhalb von Augenblicken in einer zweiten Eruption davonwirbelte, dachte gleichzeitig gepfählt und zerrissen und doch vereinigt zu sein, mehr zu sein als nur sie selbst … und hätte weinen mögen, während die letzten Schauer durch ihren Körper liefen, weil keine andere Gefühlsäußerung stark genug war, um dieser Ekstase, die sie gespürt hatte, Ausdruck zu verleihen. So war es bisher nur ein einziges Mal in ihrem Leben gewesen …
Sein Gewicht hob sich von ihr, doch statt dass er, wie sie erwartet hätte, aufstand und sich anzog, legte er sich nebensie. Es war so kalt, dass ihre schweißbedeckten Körper dampften; tatsächlich fühlte sie eine derartige Hitze, dass sie von ihm abrückte – nicht, weil die Berührung seiner Haut ihr unangenehm gewesen wäre, sondern weil sie Luft brauchte, um nicht zu verglühen.
»Wer ist Königsmarck?«, fragte Alexandra nach einer Weile, in der keiner von ihnen das Bedürfnis verspürt hatte zu reden.
»General Hans Christoph von Königsmarck«, sagte Samuel. »Du hast noch nie von ihm gehört?«
»Nein.«
»Woher kommst du?«
»Aus Prag.«
»Gesegnetes Böhmen …«
»Böhmen kennt Torstenson.«
»Ah ja … den Feldmarschall, der sein Heer verstärkt hat, indem er halb verhungerte Bauern rekrutierte und ihnen statt des Soldes die Erlaubnis zum Plündern gab … dessen Soldaten in den eroberten Städten noch die Friedhöfe umgraben und den Toten die Münzen von den Augen nehmen und die Ringe von den Fingern schneiden … der seine Truppen auf dem Marsch nach Olmütz die Messgewänder von erschlagenen Priestern tragen und katholische Prozessionsfahnen schwenken ließ … der in der Umgebung von Olmütz jede Seele erhängen, erschlagen oder zu Tode foltern ließ.«
Samuel wandte sich ab und setzte sich hin. Er ließ den Kopf hängen. Alexandra konnte nicht erkennen, ob es aus Scham darüber war, dass General Torstenson Schwede war, so wie Brahe selbst, oder darüber, dass er, Brahe, ein Teil dieser gewaltigen Katastrophe namens Krieg war, die unschuldigen Menschen ein solches Schicksal bereitete.
»Torstenson, der in der Stadt Olmütz selbst die Töchter der reichen Bürger der Reihe nach durch seine Offiziere vergewaltigen ließ, während die Töchter der weniger Wohlhabendenfür die Soldaten zur Verfügung standen … der Wien eingenommen hätte, wenn die Dänen sich nicht in den Krieg eingemischt hätten und er mit seinem Heer nach Norden ziehen musste …«
»Hör auf«, sagte Alexandra.
»Königsmarck«, murmelte Samuel, »ist der Mann, vor dem noch einer wie Torstenson sich fürchtet.«
»Gott sei uns gnädig.«
»Warum sollte er?«
Alexandra schloss die Augen. Es waren nichts als ihre eigenen Gedanken, die Samuel aussprach, und doch ließ die Resignation in seinen Worten sie erschauern. Sie erinnerte sich an ihren Weg durch die Stadt hierher.
»Und du?«, fragte sie. »Du und deine Männer? Wie viele Friedhöfe habt ihr umgegraben?«
»Der einzige Friedhof, auf dem wir wandeln, ist unser eigener. Wir führen ihn in unseren Herzen mit uns.«
»Gehörst du mit deinen Männern zu Königsmarck?«
»Hast du nicht gehört, dass wir keine Verbündeten haben? Wir gehören nirgendwohin.«
»Was tut Königsmarck hier?«
»Wenn ich es wüsste, würde ich es dir sagen. Er hält sein Heer hier versteckt. Es ist nicht groß, und der Tross ist kleiner als gewöhnlich. Ich würde sagen, es ist ein Expeditionsheer, geeignet für einen schnellen, rücksichtslosen Vormarsch. Wohin, weiß ich nicht. Wir sind erst vor ein paar Tagen hier angekommen, und du hast ja gesehen, dass es uns nicht erlaubt ist, in dem Teil der Stadt Quartier zu machen, in dem das Heer lagert.«
»Samuels Gespenster«, sagte sie langsam. »Die Truppe der Verfluchten. Ist Samuel selbst auch ein Gespenst?«
Es dauerte lange, bis eine Antwort kam: »Das verfluchteste von allen.«
»Du möchtest nicht darüber reden, stimmt’s?«
Samuel richtete sich auf dem Ellbogen auf und musterte sie. Sie sah seine Augen in der Dunkelheit leise glitzern. Er hob eine Hand und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Wer hat dich zu mir geschickt?«, murmelte er. »Einen Engel, der gerade dann kommt, wenn die Nacht am dunkelsten ist.«
»Ich bin kein Engel. Und was die Dunkelheit der Nacht betrifft – sie ist der Grund, weshalb ich gekommen bin.«
»Hast du mich gesucht?«
»Nein. Oder ja. Vielleicht suche ich dich schon seit
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