Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Jahren.«
Er schüttelte den Kopf. »Du suchst jemand anderen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Du hast nach ihm gerufen.«
»Was?«
»Wer ist Wenzel?«
Die Hitze, die Alexandra noch immer gefühlt hatte, erlosch schlagartig.
»WAS?«
»Ist er dein Mann? Dein Geliebter? Ist er hier unter den Soldaten? Ist er gefallen?«
»Ich habe seinen Namen …?« Mittlerweile hatte die Hitze in ihrem Leib entsetzter Kälte Platz gemacht, und dort hineingemischt das kühle Erstaunen ihres eigenen Geistes: Was hast du anderes erwartet?
»Mehrfach.« Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme.
Hastig begann sie, ihre Kleider zusammenzusuchen. Plötzlich war ihr der Gedanke unerträglich, nackt neben Samuel Brahe zu liegen. Er ließ sich zurücksinken und seufzte. Während sie sich in Rock und Mieder zwängte und ihre Verlegenheit langsam weniger tödlich wurde, kam ihr ein Gedanke. Er war so drängend, dass sie sich wieder neben ihm auf die Knie sinken ließ.
»Es ist nicht deinetwegen«, sagte sie unbeholfen und legtedie Hand an seine Wange. Sie spürte unter ihrer Handfläche, wie er das Gesicht zu einem Lächeln verzog.
»Dir ist alles vergeben, unbekannter Engel.«
»Eines Tages werde ich es dir erklären.«
»Diesseits oder jenseits der Hölle?«
»Wo auch immer wir uns wiedersehen.«
»Engel kommen nicht in die Hölle.«
»Gefallene Engel schon.«
Er küsste ihre Handfläche. »Plötzlich ist die Aussicht auf ewige Verdammnis nicht mehr so schlimm …«
Sie sprach den Gedanken aus, den sie vorhin gehabt hatte. »Samuel«, sagte sie, »kannst du uns hier herausbringen?«
»Wie bitte?«
»Wir müssen weiter nach Würzburg. Ein Leben hängt davon ab. Aber wenn es sich nicht herumsprechen soll, dass das Heer hier versteckt liegt, wird man uns kaum gestatten, Wunsiedel zu verlassen.«
»Wohl nicht«, sagte er langsam.
»Kannst du uns helfen?«
»Wer würde Samuel Brahe zuhören?«
»Kannst du es nicht wenigstens versuchen?«
»Es hat keinen Sinn, mein Engel.«
Alexandra versuchte, die Enttäuschung zurückzudrängen. Aber im Nachhinein betrachtet: Wenn es einen Weg gäbe, die Stadt unbemerkt zu verlassen, hätten Samuel Brahe und sein Häufchen Verfemter dann nicht als Erste die Gelegenheit genutzt zu fliehen?
»Leb wohl«, sagte sie und stieg über ihn hinweg.
»Menschen treffen sich immer zweimal im Leben. Sag erst beim zweiten Mal Lebewohl.«
Beinahe gegen ihren Willen blieb sie stehen und drehte sich noch einmal zu ihm um. »Leb wohl, Samuel Brahe«, sagte sie dann sanft. »Das Leben ist kein Sprichwort.«
Draußen auf der Gasse strich sie ihr Gewand glatt undhatte einen Augenblick Mühe, sich zu orientieren. Ihr war wieder genauso kalt wie zuvor, aber diesmal hatte sie wenigstens die Erinnerung an die Hitze, die der Liebesakt mit Samuel Brahe ihr für eine Weile geschenkt hatte. Die Soldaten hatten ihre Posten bezogen und musterten sie. Mit einem Schock wurde ihr bewusst, dass das Erlebnis mit Samuel nur ein Zwischenspiel gewesen war. Würden die Soldaten sie gehen lassen?
Sie schrak zusammen, als sie Samuels Hände auf ihren Schultern spürte. Er konnte sich so lautlos bewegen wie ein Nachttier.
»Wie lange brauchst du, um abmarschbereit zu sein?«, flüsterte er in ihr Ohr.
Sie zögerte nicht. »Eine halbe Stunde.«
Er schwieg kurz, und sie war sicher, dass er dabei den Himmel musterte und herauszufinden versuchte, wie spät in der Nacht (oder früh am Morgen) es eigentlich war. Sie drehte sich nicht um. Schon als sie seine Berührung gespürt hatte, war ihr klar gewesen, dass sie auch dazu diente, sie vor jeder Bewegung zu warnen. So, wie sie stand, befand Samuel Brahe sich noch in der Dunkelheit des Hauses, unsichtbar für die Wachen vorne, und er wünschte nicht, dass sie ihn mit ihr flüstern sahen.
»Geh nachher zurück in das Haus. Es hat einen Hinterausgang. Nimm ihn und sammle deine Reisegruppe zusammen. Dann kommt ihr wieder hierher. Alfred und ich werden euch hier rausbringen.«
»Alfred?«
»Als ich noch Offizier war, war er mein Wachtmeister. Du schuldest ihm immer noch zwei Küsse.«
Sie lächelte. »Der Mann mit der charmanten Verbeugung? Er bekommt sie mit Zinsen.«
»Gut.«
»Was meinst du mit ›nachher‹?«
»Du wirst es gleich verstehen. Ich gehe davon aus, dass du nicht zimperlich bist.«
»Äh …?«
Der Händedruck auf ihren Schultern verschwand. Dann stand Samuel Brahe neben ihr. Überrascht sah sie, dass er nur ein Hemd trug und in seine Stiefel
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