Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
begangen habe, durch Deine besondere Huld. Was ich tat, habe ich getan ad maiorem Dei gloriam und um dieser Welt den Frieden zu bringen. Ich habe die schlimmste Sünde begangen, und ich werde sie wieder begehen, bis Du mir ein Zeichen schickst, o Herr, dass ich auf dem falschen Weg bin. Herr, ich bitte Dich in aller Demut: Sende mir ein Zeichen.«
Der Anblick von Pater Nobili stieg vor seinem inneren Auge auf, wie er sich an die beiden Schurken wandte und sie nach dem Weg fragte; wie die Partisane in seinen Leib fuhr und der Totschläger ihn aus dem Sattel wuchtete; wie er in die Dunkelheit zu fallen und mit ihr eins zu werden schien – als wäre sein Sterben ein bildlicher Ausdruck dafür,was Pater Silvicola in seinem Versteck ein paar Schritte weiter gefühlt hatte. Es hatte getan werden müssen. Daran gab es keinen Zweifel. Es würde wieder getan werden müssen. Er war auf einer Mission des Todes, er, der ein Architekt des Friedens hatte sein wollen. Aber wie ein Architekt ein faules, verrottetes Gebäude niederreißen muss, um an seiner Stelle einen Palast errichten zu können, so musste er den Tod säen, um die Ernte des Friedens zu ermöglichen.
Wie immer, wenn er sich wie jetzt an den Rand des Zusammenbruchs gebracht hatte, hörte er in seiner Erinnerung das raue Männerlachen und die schrillen Schreie aus dem Bauernhaus. Manchmal fragte er sich, ob er nicht den Männern ähnlich war, diesen Männern, die ebenfalls nur zu dem Zweck gekommen waren, den Tod zu bringen. Doch dann antwortete er sich jedes Mal, dass die Männer nur von der viehischen Lust an der Gewalt getrieben gewesen waren, während er, Pater Giuffrido Silvicola, Grauen vor seinen Taten empfand und sein einziges Ziel war, dass das Töten auf immer ein Ende nähme.
Gott hatte sich abgewandt, und die Menschen hatten den Teufel eingelassen, und Satan hatte sein Regiment auf Erden errichtet.
Die Menschen? Nur ein paar von ihnen. Nur ein paar …
… und Pater Silvicola würde sie jagen, bis sie alle tot und das grässliche Buch, mit dem sie ihm Eintritt verschafft hatten, verbrannt war. War es gerecht, im Kampf gegen den Teufel dessen Anhänger zu erschlagen?
»Die Zauberer sollst du nicht am Leben lassen …«, wisperte er gegen den Boden, halb ohnmächtig und zitternd vor Auszehrung, Fieber und Kälte.
War es gerecht, die zu töten, die sich ihm aus Unwissenheit oder falsch verstandener Loyalität in den Weg stellten?
»Was ihr dem geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan, spricht der Herr«, flüsterte Pater Silvicola.
Aber überwog das Wohl vieler nicht das Wohl des Einzelnen?
Ächzend kam er auf die Knie, dann konnte er sich nicht mehr weiter aus eigener Kraft aufrichten. Er rutschte nach vorn zum Altar, umklammerte die Platte und zog sich daran hoch. Seine Beine knickten ein.
»Herr, sende mir ein Zeichen«, stöhnte er. »Deinem Urteil unterwerfe ich mich.« Seine ausgetrockneten Lippen sprangen auf, und ein dünnes Rinnsal Blut lief ihm über das Kinn.
Irgendwann hatte Pater Silvicola festgestellt, dass es ihm nicht überaus schwerfiel zu fasten. Der Schmerz in seinen Eingeweiden war nebensächlich, der Drang, zu essen und zu trinken, konnte unterdrückt werden. Als er dies erkannt hatte, war er dazu übergegangen, in den Zeiten, in denen er fastete, stets Essen und Trinken bei sich zu haben – aber es nicht anzurühren. Es war keine Leistung, der Versuchung zu widerstehen, wenn sie fern war. Der Teufel hatte Jesus Christus auf einen Berg mit hinaufgenommen und ihm die Herrlichkeit und Pracht der Welt gezeigt, bevor er zu ihm gesagt hatte: Dies alles will ich dir geben, wenn du niederkniest und mich anbetest. Christus hatte ihn fortgeschickt. Der Teufel war gegangen. Er hatte nicht gerufen: Damit hast du deine einzige Chance vertan! oder Ähnliches. Er war gegangen und hatte den Herrn im Wissen zurückgelassen, dass das Angebot jederzeit Bestand hatte. Der Sieg gegen die Versuchung war dann etwas wert, wenn man ihn täglich errang. Christus hatte ihr nicht einmal dann nachgegeben, als sein sterblicher Leib sich im Leid der Welt wand.
Mit zitternden Händen holte Pater Silvicola eine kleine Flasche und einen steinhart gewordenen Wecken Brot aus seinem Mantel. Das Brot war an einer Seite schimmlig; es war in den Tagen, seit er es eingesteckt und mit dem Fasten begonnen hatte, von seinem Schweiß durchtränkt und an seinem Körper wieder getrocknet worden. Es stank. Erhätte jederzeit den wühlenden Hunger mit dem
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