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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
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kleinere Hindernisse gegeben hätte«, sagte Agnes.
    »Mama!« Andreas Khlesl war mit zwei Schritten und wehendem Kurzmantel heran und riss seine Mutter in seinebärengleiche Umarmung. Agnes’ und Cyprians ältester Sohn hatte die Statur seines Vaters, so wie Alexandra, das älteste der drei Geschwister, das Ebenbild ihrer Mutter war. Doch wo Cyprian bis ins hohe Alter hinein den harten Körper eines Mannes besaß, der lieber beim Abladen der Weinfässer selber mit anpackte, als nachzuwiegen, ob die Fuhrleute sich den ein oder anderen Schluck aus seiner Ladung abgezapft hatten, war Andreas unter seiner Kleidung ein fülliger, weich gewordener Mops. Der Khlesl’sche Körperbau – breite Schultern, breites Kreuz, stämmige Beine – ließ ihn wie einen Kleiderschrank aussehen, neben dem sogar sein athletischer Vater schmal wirkte. Vom Gemüt her schien sein Großvater, der ehemalige Bäckermeister Khlesl aus Wien, in ihm wiedergeboren: Andreas war von besessenem Fleiß, aber fantasiearm, hartnäckig bei der Verfolgung seiner Ziele, aber ständig missgelaunt, stolz darauf, die Firma als Seniorpartner zu führen, und zugleich voller Angst, dass sie unter seiner Führung bankrottgehen könnte. Er hätte besser nach Wien in die Familienbäckerei des anderen Khlesl-Zweiges gepasst, dessen Oberhaupt einer von Cyprians Neffen war und dessen Angehörige den Prager Khlesls nicht viel zu sagen hatten, wenn man überhaupt einmal miteinander zu tun bekam.
    »Mama, dem heiligen Wenzel sei Dank, dass du gekommen bist. Am Heiligen Abend! Was für ein Omen! Wo ist …?«
    »Hallo, Brüderchen«, sagte Alexandra, die sich für sie selbst ganz untypisch vollkommen fehl am Platz und geradezu verlegen fühlte.
    »…äh?«, machte Andreas. Er blinzelte. Dann machte er sich von Agnes los und drückte Alexandra an sich, und in seiner Umarmung lag so viel verzweifelte Kraft, dass Alexandra die Luft ausging und das Ressentiment, das sie fühlte, seit Agnes ihr beim Stadttor ihr Geständnis gemacht hatte, erlosch. Sie erwiderte die Umarmung.
    »Friede sei mit dir und den deinen, Andreas«, sagte sie mit schwankender Stimme.
    Andreas nickte dem Schreiber zu, der die Treppe mit heraufgekommen war und sich verbeugte. »Ich danke Ihnen, dass Sie meine Mutter und meine Schwester begleitet haben. Lassen Sie sich unten in der Küche etwas Warmes zu trinken geben. Wenn Sie die Christvesper besuchen wollen …«
    Der Schreiber bedankte sich und kletterte wieder hinab. Andreas hielt seine Schwester auf Armeslänge von sich.
    »Ich bin gerührt«, sagte er und räusperte sich. »Ich hatte nicht erwartet, dass meine große Schwester … ich bin wirklich gerührt.« Dann huschte sein Blick zur Treppe, auf der die Schritte des Schreibers verklungen waren. »Aber wo ist … wo sind …?« Seine Augen wurden plötzlich weit. »Mama, wo hast du die Ärzte aus Prag gelassen …?«
    Agnes straffte sich. »Ich habe die beste Kapazität mitgebracht, die es gibt«, sagte sie.
    Andreas ließ Alexandra los und trat einen Schritt zurück.
    »Sie?«, rief er. »Du hast …?«
    »Andreas!«, sagte Agnes mit einem Unterton in der Stimme, der alle drei Geschwister stets dazu gebracht hatte, jegliches Argumentieren oder Verhandeln um ein weiteres Stück Gebäck sofort einzustellen. Aber Andreas war kein kleiner Junge mehr.
    »Willst du mir mitteilen, Mama, dass ich ein Vermögen dafür bezahlt habe, die Brieftauben der Benediktiner und der Kreuzherren vom Roten Stern benutzen zu dürfen, um meine Nachricht so schnell wie möglich nach Prag zu bringen, nur damit du nicht auf mich hörst? Ich habe dir …«
    »Du wolltest den besten medizinischen Beistand für Lýdie, den es gibt. Ich bin diesem Wunsch gefolgt.«
    »… ich habe dir eine Liste mit den Namen der Ärzte zusammengestellt, die ich haben wollte! Was hast du mit dieser Liste gemacht, Mama? Sie weggeworfen?«
    »Ja«, sagte Agnes schlicht. »Nachdem mir klar geworden war, wie ernst es um Lýdie wirklich steht.«
    Andreas stieß einen Laut aus, der sich wie ein ungläubiges Lachen anhörte.
    » Nachdem dir klar geworden war …?«, echote er. »Sollte es nicht heißen: obwohl …?«
    »Andreas, reg dich nicht auf, sondern hör mir …«, begann Alexandra, die spürte, wie Wut in ihr aufstieg.
    »Wenn ich gewollt hätte, dass Alexandra meiner Kleinen ein paar Kräuter ins Gesicht wirft, hätte ich nach ihr verlangt, oder nicht?«
    »Hör auf, hier herumzuschreien«, sagte Agnes.
    »Meine Ausbildung ist besser als

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