Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Duebell
Vom Netzwerk:
die jedes …«, begann Alexandra, bevor das Bewusstsein ihre Worte verstummen ließ, dass sie sich für etwas rechtfertigen wollte, was gar nicht nötig war. »Ich hätte es dir gleich sagen können, Mama«, murmelte sie erbittert.
    »Ich schreie, wann es mir passt!«, schrie Andreas mit überschnappender Stimme. Seine Verzweiflung war geradezu greif bar. »Mama, wie konntest du mich so hintergehen!«
    Die Tür, durch die Andreas gekommen war, flog auf, und Karina, Andreas’ Frau, huschte heraus. Als sie Agnes und Alexandra sah, blieb sie stehen, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ihr seid da, ihr seid da …«, flüsterte sie. »Andreas, Liebster, bitte … die Kleine …«
    Andreas fuhr herum. »Du hast gewusst, dass deine Schwiegermutter und deine Schwägerin ein Komplott schmieden, nicht wahr? Du hast gewusst, dass Mama meine große, weise Schwester anschleppen würde!«
    Karina sah ihn verwirrt an. »Gewusst?«, wiederholte sie. »Aber ich dachte, dass du natürlich auf Alexandras Hilfe zurückgreifen …«
    »Ich scheiße auf Alexandras Hilfe!«, röhrte Andreas. »Ich will die besten Ärzte, die es gibt!«
    »Aber Alexandra ist …«
    Alexandra wusste, was nun kommen würde. Dennoch war es wie ein Schlag in die Magengrube. Sie fühlte die Tränen zugleich mit einem so tiefen Gefühl der Übelkeit aufsteigen, dass sie sich beinahe auf den Fußboden übergeben hätte.
    »Sie konnte nicht mal ihren eigenen Sohn retten!«, brüllte Andreas. »Warum glaubst du, dass sie unserer Tochter helfen könnte?«
    Alexandra sah sich selbst dabei zu, wie sie sich auf tauben Beinen umdrehte, die Treppe hinunterstieg, ins Freie hinausschritt, wo das Geläut der Christvesperglocken dröhnte wie das Gebrüll einer angreifenden Armee, und dann in Schneematsch und Dreck zusammensank und zu schluchzen begann, den Schmerz so schlimm fühlend wie in jenem Moment, in dem ihr klar geworden war, dass der Puls an Mikus Hals aufgehört hatte zu schlagen und dass die gemurmelten Gebete des Pfarrers ihn nicht mehr erreichen konnten. Wie hatte sie nur den monströsen Fehler begehen können, sich von ihrer Mutter einwickeln zu lassen? Wie hatte sie nur glauben können, ausgerechnet sie sei in der Lage, die Verantwortung für das Leben ihrer kleinen Nichte zu übernehmen? Wieso hatte sie gedacht, sie sei schon stark genug, dem Tod über ein Kinderbett hinweg einen neuen Kampf zu liefern – mit dem Wissen, dass sie diesen Kampf womöglich verlieren würde?
    Natürlich weiß ein Heiler manchmal, dass seine Künste nicht helfen werden , hörte sie die Stimme der alten Barbora, die sich über das Glockengeläut der Kirchen hinwegsetzte. Darauf kommt es nicht an .
    Worauf kommt es dann an? Ihre eigene Stimme, schwankend zwischen Ratlosigkeit, Resignation und Eifersucht auf die ruhige Gewissheit der alten Frau.
    Dass man die Hoffnung nicht aufgibt, auch wenn man weiß, dass man nichts mehr tun kann. Wenn die Hoffnung des Arztes stirbt, so stirbt der Patient.
    Ich habe bis zuletzt wider alle Gewissheit gehofft, dass Miku leben wird.
    Und diese Erfahrung sagt dir, dass du nie wieder hoffen darfst?
    Schlagartig wurde ihr klar, dass es genau darum ging. Doch nicht sie hatte die Hoffnung in ihrem tiefsten Herzen aufgegeben, sondern ihr Bruder Andreas. Und mit dieser Erkenntnis wurde die Umgebung wieder klar vor ihren Augen, und sie erkannte, dass sie in Wahrheit gar nicht hinaus in die Gasse gelaufen war, sondern immer noch oben am Treppenabsatz stand, Andreas’ hochrotes und Karinas blasses Gesicht vor sich.
    »Ich schäme mich für dich«, sagte Karina. »So etwas zu deiner Schwester zu sagen.«
    Andreas ballte die Fäuste und hämmerte sich gegen die Stirn. »Wir sind verflucht!«, stöhnte er. »Wir hätten dieses Haus nicht als Logis nehmen sollen! Sein Fluch ist über uns gekommen.«
    Karina sah Alexandra ins Gesicht. Die ersten Tränen rollten ihre Wangen herunter. »Dies war das Haus des Stadtrichters«, sagte sie. »Seine beiden Söhne wurden von Hexenbrennern auf den Scheiterhaufen gebracht. Sie waren acht und zehn Jahre alt. Man hatte ihn und seine Frau gezwungen, zuzusehen. Sie fiel während der Hinrichtung in Ohnmacht und ist nie wieder daraus erwacht. Am Tag nach der Hinrichtung fand man den Stadtrichter oben auf dem Dachboden. Er hatte sich erhängt.«
    Agnes holte tief Luft. Karinas Blicke bohrten sich in die Alexandras.
    »Wir kannten die Geschichte dieses Hauses nicht«, vollendete Karina. »Wir fragten auch nicht nach,

Weitere Kostenlose Bücher