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Die Erbin Der Welt erbin1

Die Erbin Der Welt erbin1

Titel: Die Erbin Der Welt erbin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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ineinander. Womöglich war das der Grund, warum wir die Einzigen waren, die nicht von der Sonne beeinflusst wurden, als sie begann, sich über den Horizont zu wölben, und Macht die ganze Welt zum Beben brachte wie einen erschütterten Spiegel.
    Von dem Moment an, wenn die Sonne aus der Sicht der Sterblichen verschwindet, bis das letzte Licht erloschen ist: Das ist Zwielicht. Von dem Moment an, wenn die Sonne beginnt, sich über dem Horizont zu wölben, bis sie nicht länger die Erde berührt: Das ist Dämmerung.
    Ich sah mich überrascht um und hielt den Atem an, als der Stein vor mir aufblühte.
    Das war das einzig passende Wort für das, was ich da sah. Der hässliche Klumpen zitterte und entfaltete sich — Lagen schälten sich herunter, um Licht freizugeben. Aber es war nicht das gleichmäßig weiße Licht von Itempas, und es war auch nicht das wabernde Unlicht Nahadoths. Dies war das seltsame Licht, das ich in dem Verlies gesehen hatte. Es war grau und unschön und schien jegliche Farbe aus der Umgebung herauszuziehen. Der Stein hatte jetzt keine Form mehr, noch nicht einmal die des silbernen Aprikosenkerns. Er war ein Stern, der Licht abgab, aber irgendwie ohne Stärke war.
    Trotzdem fühlte ich seine wahre Kraft, die in Wellen auf mich abstrahlte. Ich bekam Gänsehaut, und mir drehte sich der Magen um. Ich machte ungewollt einen Schritt rückwärts und verstand nun, warum T'vril die Bediensteten vorgewarnt hatte. In dieser Macht lag nichts Gesundes. Sie war ein Bestandteil der Göttin des Lebens, aber diese war tot. Der Stein war nur ein grausiges Relikt.
    »Nenne deine Wahl, wer unsere Familie führen soll, Enkelin«, sagte Dekarta.
    Ich wandte mich von dem Stein ab, obwohl seine Strahlung auf der Gesichtshälfte, die ihm zugewandt blieb, Juckreiz hervorrief. Einen Moment lang verschwamm alles vor meinen Augen. Ich fühlte mich so schwach. Das Ding brachte mich um, und ich hatte es noch nicht einmal berührt.
    »R-Relad«, sagte ich. »Ich wähle Relad.«
    »Was?« Seiminas Stimme, entsetzt und empört. »Was hast du gesagt, du Bastard?«
    Hinter mix bewegte sich etwas. Es war Viraine, der auf meine Seite des Sockels gekommen war. Auf meinem Rücken spürte ich seine Hand, die mich stützte, als mir von der Kraft des Steins schwindelig wurde und ich schwankte. Ich sah diese Geste als Trost an und gab mir mehr Mühe, stehenzubleiben. Als Viraine ein Stück zur Seite trat, fiel mein Blick auf Kurue. Ihr Ausdruck war grimmig und entschlossen.
    Ich glaubte, ich wusste, weshalb.
    Die Sonne bewegte sich schnell, wie es ihre Gewohnheit war. Sie war bereits zur Hälfte über die Horizontlinie hinausgetreten. Bald war nicht länger Dämmerung, sondern Tag.
    Dekarta nickte, unbeeindruckt von Seiminas plötzlichem Gestammel. »Dann nimm den Stein«, befahl er mir. »Setze deine Wahl in die Tat um.«
    Meine Wahl. Ich hob meine zitternde Hand, um den Stein zu nehmen, und fragte mich, ob der Tod Schmerzen bereitete. Meine Wahl.
    »Tu es«, flüsterte Relad. Er beugte sich vor, und sein ganzer Körper war angespannt. »Tu es, tu es, tu es ...«
    »Nein!« Scimina wieder, ein Schrei. Ich sah aus dem Augenwinkel, wie sie auf mich zusprang.
    »Es tut mir leid«, flüsterte Viraine hinter mir — und plötzlich hielt alles an.
    Ich blinzelte und war nicht sicher, was geschehen war. Etwas veranlasste mich dazu, nach unten zu sehen. Dort ragte durch das Mieder meines hässlichen Kleides etwas Neues hervor: die Spitze einer Messerklinge. Sie war auf der rechten Seite des Brustbeins, neben der Rundung meiner Brust, aus meinem Körper getreten. Der Stoff, der sich darum befand, veränderte sich und wurde zu einem seltsamen, nassen Schwarz.
    Blut, wie mir klar wurde. Das Licht des Steins stahl sogar diese Farbe.
    Mein Arm wurde bleischwer. Was hatte ich getan? Ich konnte mich nicht erinnern. Ich war sehr müde. Ich musste mich hinlegen.
    Das tat ich auch.
    Und ich starb.
     

 

     
     

Zwielicht und Dämmenung
     
    Ich weiß jetzt wieder, wer ich bin.
    Ich habe an mir festgehalten und werde dieses Wissen nicht wieder loslassen.
    Ich trage in mir die Wahrheit, zukünftig und vergangen — untrennbar.
    Ich werde das hier zu Ende bringen.
     
    In dem Zimmer mit den gläsernen Wänden geschehen viele Dinge auf einmal. Ich bewege mich zwischen meinen früheren Begleitern. Ich bin unsichtbar; aber ich sehe alles.
    Mein Körper fällt zu Boden und bewegt sich nicht. Nur eine Blutlache breitet sich darum aus. Dekarta starrt mich an,

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