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Die Erbin Der Welt erbin1

Die Erbin Der Welt erbin1

Titel: Die Erbin Der Welt erbin1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: jemisin
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Kästchen aus dem Fach zog. Es hinterließ ein sauberes Viereck in der dicken Staubschicht in der Mitte des Fachs — die Diener hatten darin offensichtlich nicht saubergemacht. Vielleicht war ihnen genau wie mir nicht bewusst gewesen, dass sich das Kopfteil öffnen ließ. Ich pustete den Staub von der obersten Schicht Papiere und nahm das erste gefaltete Blatt hoch.
    Ein Liebesbrief von meinem Vater an meine Mutter.
    Ich zog jedes einzelne Papier heraus, begutachtete es und sortierte dann nach Datum. Es waren alles Liebesbriefe von ihm an sie und von ihr an ihn, geschrieben innerhalb eines Zeitraums von einem Jahr. Ich schluckte schwer, wappnete mich geistig und begann, zu lesen.
    Eine Stunde später hörte ich auf, legte mich auf das Bett und weinte mich in den Schlaf.
    Als ich aufwachte, war das Zimmer dunkel.
    Und ich hatte keine Angst. Ein schlechtes Zeichen.
    »Du solltest nicht allein im Palast herumlaufen«, sagte der Lord der Finsternis.
    Ich setzte mich auf. Er saß neben mir auf dem Bett und schaute zum Fenster. Der Mond stand hoch und war halb von einem Wolkenfetzen bedeckt; ich musste Stunden geschlafen haben. Ich rieb mein Gesicht und sagte ziemlich kühn: »Ich dachte, wir hätten eine Abmachung, Lord Nahadoth.«
    Sein Lächeln war meine Belohnung, obwohl er mich immer noch nicht ansah. »Respekt, ja. Aber es gibt noch mehr Gefahren in Elysium außer mir.«
    »Einige Dinge sind ein Risiko wert.« Ich schaute das Bett an.
    Der Stapel Briefe lag dort mit anderen Kleinigkeiten, die ich aus dem Kästchen genommen hatte: ein Tütchen mit getrockneten Blumen, eine Locke schwarzes Haar, die wohl von meinem Vater stammte, ein aufgerolltes Stück Papier, auf dem ein paar durchgestrichene Zeilen eines Gedichts in der Handschrift meiner Mutter standen, und ein winziger silberner Anhänger an einem dünnen Lederband. Ich hob den Anhänger auf und versuchte erneut erfolglos herauszubekommen, um was es sich handelte. Er sah aus wie ein roher, platt geschlagener Klumpen, länglich mit spitzen Enden. Irgendwie kam er mir bekannt vor.
    »Der Stein einer Frucht«, murmelte Nahadoth. Er beobachtete mich nun von der Seite.
    Ja, so sah es aus — Aprikose vielleicht oder Ginkgo. Mir fiel ein, wo ich etwas Ähnliches gesehen hatte: aus Gold, um Ras Onchis Hals. »Warum ...?«
    »Die Frucht stirbt, aber sie trägt den Funken neuen Lebens in sich. Enefa hatte die Macht über Tod und Leben.«
    Ich runzelte verwirrt die Stirn. Vielleicht war der silberne Obstkern das Symbol Enefas, so wie Itempas weißer Jadering. Aber warum sollte meine Mutter ein Symbol Enefas besitzen? Oder besser gesagt — warum sollte mein Vater es ihr gegeben haben?
    »Sie war die Stärkste von uns.« Nahadoth sah wieder hinaus zum Nachthimmel, obwohl es offensichtlich war, dass seine Gedanken ganz woanders weilten. »Wenn Itempas kein Gift benutzt hätte, hätte er sie niemals sofort töten können. Aber sie vertraute ihm. Liebte ihn.«
    Er senkte seinen Blick, lächelte sanft, reuevoll zu sich selbst. »Andererseits ... ich ja auch.«
    Ich ließ den Anhänger beinahe fallen.
    Dies ist es, was die Priester mir beibrachten.
    Es waren einmal drei große Götter. Bright Itempas, Lord des Tages, war der vom Schicksal oder vom Mahlstrom oder irgendeinem unergründlichen Plan zum Regieren bestimmte. Alles war in Ordnung, bis Enefa, seine Schwester — der Emporkömmling — beschloss, dass sie an Bright Itempas Stelle regieren wollte. Sie überzeugte ihren Bruder Nahadoth, ihr zu helfen, und zusammen mit einigen ihrer Gottkinder versuchten sie einen Handstreich. Itempas, mächtiger als beide Geschwister zusammen, schlug sie vernichtend. Er tötete Enefa, bestrafte Nahadoth und die Aufständischen und begründete einen noch größeren Frieden — denn ohne seinen dunklen Bruder und seine wilde Schwester, die es zu beschwichtigen galt, hatte er die Freiheit, der gesamten Schöpfung wahres Licht und Ordnung zu bringen.
    Aber ...
    »G-gift?«
    Nahadoth seufzte. Hinter ihm bewegte sich unruhig sein Haar, wie Vorhänge, die in der nächtlichen Brise flatterten. »Wir haben die Waffe durch unsere Tändeleien mit den Menschen selber geschaffen, obwohl uns das lange nicht klar war.«
     
    Der Lord der Finsternis begab sich auf die Erde und suchte Unterhaltung ... »Die Dämonen«, flüsterte ich.
     
    »Die Menschen machten aus diesem Wort ein Schimpfwort. Die Dämonen waren einst so schön und vollkommen wie unsere gottgeborenen Kinder — aber sterblich. Als sie in

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