Die Erbin Der Welt erbin1
plötzlich, dass es wirklich etwas gab, das ich in der Bücherei in Erfahrung bringen konnte. »Informationen über den Krieg der Götter«, sagte ich.
»Religiöse Texte sind in der Kapelle, nicht hier.« Jetzt sah die Frau noch mürrischer aus. Vielleicht war sie die Bibliothekarin, wenn ja, hatte ich sie wohl beleidigt. Die Bibliothek hatte offensichtlich ohnehin zu wenig Publikumsverkehr, da musste man sie nicht noch mit einem anderen Ort verwechseln.
»Ich möchte keine religiösen Texte«, sagte ich schnell, in der Hoffnung, sie wieder zu beruhigen. »Ich möchte ... historische
Zeugnisse. Aufzeichnungen über Todesfälle. Journale, Briefe, Auslegungen von Schreibern ... alles, was zu der Zeit geschrieben wurde.«
Die Frau kniff ihre Augen zusammen und sah mich an. Außer ihr hatte ich noch keinen Erwachsenen in Elysium gesehen, der kleiner war als ich, was mich sicherlich getröstet hätte, wäre da nicht der feindselige Ausdruck auf ihrem Gesicht gewesen. Ich staunte über diese Feindseligkeit, weil sie dieselbe einfache weiße Uniform trug wie die meisten der Bediensteten. Eigentlich reichte sonst der Anblick des Vollblutzeichens auf meiner Stirn, um sie bis zur Unterwürfigkeit höflich werden zu lassen.
»Es gibt solche Dinge«, sagte sie. »Aber alle vollständigen Berichte über den Krieg sind von den Priestern massiv zensiert worden. Möglicherweise gibt es einige unberührte Quellen in privaten Sammlungen — man sagt, dass Lord Dekarta die wertvollsten in seinem Domizil verwahrt.«
Ich hätte es wissen müssen. »Ich würde gerne alles sehen, was Ihr habt.« Nahadoth hatte mich neugierig gemacht. Alles, was ich wusste, hatte ich von den Priestern erfahren. Vielleicht konnte ich aus den Lügen etwas Wahrheit herausholen, wenn ich die Berichte selber las.
Die alte Frau schürzte nachdenklich ihre Lippen und machte eine knappe Geste, dass ich ihr folgen sollte. »Hier entlang.«
Ich folgte ihr durch die gewundenen Gänge, und mein Staunen wuchs, als mir klar wurde, wie groß dieser Ort wirklich war. »Diese Bibliothek muss das gesamte Wissen der Welt enthalten.«
Meine verdrießliche Begleiterin schnaubte. »Nicht mehr als aus einigen Flecken der Menschheit über einige Jahrtausende hinweg. Und das auch noch ausgesucht und sortiert, zurechtgestutzt und verdreht, bis es den Machthabern in den Kram passte.«
»Selbst in verunreinigtem Wissen liegt noch Wahrheit, wenn man genau liest.«
»Nur wenn man weiß, dass das Wissen verunreinigt ist.« Die Frau ging um eine weitere Ecke und blieb stehen. Wir hatten eine Art Nexus in der Mitte des Labyrinths erreicht. Vor uns standen einige Bücherschränke, die wie eine gigantische sechsseitige Säule angeordnet worden waren. Jeder Schrank war gute fünf Fuß breit und so hoch und stabil, dass er die Zimmerdecke, die etwa zwanzig Fuß über uns war, stützte. Dieser Aufbau hatte etwas von einem jahrhundertealten Baumstamm. »Hier ist das, was Ihr sucht.«
Ich machte einen Schritt auf die Säule zu und blieb dann plötzlich unsicher stehen. Als ich mich umdrehte, merkte ich, dass die alte Frau mich mit lauerndem Blick beobachtete, was mich beunruhigte. Ihre Augen hatten die Farbe von minderwertigem Zinn.
»Entschuldigt«, sagte ich, von einem Instinkt angetrieben. »Hier gibt es sehr viel. Was schlagt Ihr vor, womit ich anfangen soll?«
Sie schaute finster und sagte: »Woher soll ich das wissen?« Dann drehte sie sich um und verschwand zwischen den Stapeln, bevor ich mich von dem Schock über diese offen zur Schau gestellte Unhöflichkeit erholen konnte.
Ich hatte allerdings andere Sorgen als eine übellaunige Bibliothekarin, und so wandte ich meine Aufmerksamkeit der Säule zu. Ich wählte zufällig ein Regal aus, überflog die Buchrücken nach Titeln, die interessant klangen, und begann meine Jagd.
Zwei Stunden später — ich hatte mich auf den Boden des Verbindungsraums gesetzt und Bücher sowie etliche Schriftrollen um mich herum ausgebreitet — ergriff mich Verzweiflung. Stöhnend warf ich mich mitten in den Büchern nach hinten und lag ausgebreitet auf ihnen. Wenn die Bibliothekarin mich so gesehen hätte, wäre sie mit Sicherheit böse geworden. Aufgrund der Kommentare der alten Frau hatte ich gedacht, dass der Krieg der Götter so gut wie nicht erwähnt werden würde, aber das Gegenteil war der Fall. Es gab vollständige Augenzeugenberichte des Kriegs. Es gab Berichte über andere Berichte und kritische Analysen über diese Berichte. Es gab
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