Die Erbin Der Welt erbin1
dabei erwischt wurde, wie er einen abgesetzten Gott angebetet hat. Dieser hier ist ein entfernter Arameri-Verwandter — sie haben ein paar übrig gelassen, um frisches Blut in den Clan zu bringen —, und so war er gleich zweifach dem Untergang geweiht.«
»E-er könnte ...« Ich konnte nicht denken. Abscheulich. »Er könnte den Stein wegschicken. Ihn in einen Vulkan wünschen, oder in eine gefrorene Einöde.«
»Dann würde man nur einen von uns schicken, der ihn zurückholt. Aber er wird Dekarta keine Schwierigkeiten bereiten. Wenn er den Stein nicht vernünftig entsendet, wird seine Geliebte sein Schicksal teilen.«
In der Grube stieß der Mann ein besonders lautes Stöhnen aus — es kam einem Heulen so nahe, wie der verzerrte Mund es zuließ. Tränen füllten meine Augen, und das graue Licht verschwamm.
»Schhh«, sagte Nahadoth. Ich sah ihn überrascht an, aber er starrte immer noch in die Grube. »Schhh. Es dauert nicht mehr lange. Tut mir leid.«
Als Nahadoth meine Verwirrung bemerkte, lächelte er wieder dieses seltsame Lächeln, das ich nicht zu deuten wusste und auch nicht deuten wollte. Das war allerdings meine eigene Blindheit. Ich dachte immer wieder, dass ich ihn kennen würde.
»Ich höre ihre Gebete immer«, sagte der Lord der Finsternis, »auch, wenn ich nicht darauf antworten darf.«
Wir standen am Fuße des Piers und blickten hinunter auf die Stadt, die eine halbe Meile unter uns lag.
»Ich muss jemanden bedrohen«, sagte ich.
Ich hatte seit dem Verlies nicht mehr gesprochen. Nahadoth hatte mich zum Pier begleitet — ich schlenderte dahin, er folgte mir. Die Diener und alle von hohem Geblüt hatten einen großen Bogen um uns gemacht. Er sagte nichts, obwohl ich spürte, dass er dort neben mir stand.
»Den Minister der Mencheyev, einen Mann namens Gemd, der wahrscheinlich das Bündnis gegen Darr anführt. Ihn.«
»Für eine Drohung musst du die Macht haben, Schaden zuzufügen«, sagte Nahadoth.
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich wurde von den Arameri adoptiert. Gemd unterstellt bereits, dass ich eine solche Macht habe.«
»Außerhalb von Elysium endet dein Recht, uns Befehle zu geben. Dekarta wird dir nie die Erlaubnis geben, einer Nation, die ihn nicht beleidigt hat, Schaden zuzufügen.«
Ich sagte nichts.
Nahadoth warf mir einen belustigten Blick zu. »Aha. Aber ein Bluff wird diesen Mann nicht lange aufhalten.«
»Das muss er auch nicht.« Ich stieß mich von dem Geländer ab und wandte mich ihm zu. »Er muss ihn nur für die nächsten vier Tage aufhalten. Und ich kann über deine Macht außerhalb von Elysium verfügen ... wenn du mich lässt. Wirst du das tun?«
Nahadoth stellte sich auch aufrecht hin. Zu meiner Überraschung hob er eine Hand zu meinem Gesicht. Er legte sie an meine Wange und zog mit seinem Daumen die untere Rundung meiner Lippen nach. Ich werde nicht lügen: Das rief bei mir gefährliche Gedanken hervor.
»Du hast mir heute Nacht befohlen, zu töten«, sagte er.
Ich schluckte. »Aus Gnade.«
»Ja.« Da war wieder dieser verstörende, fremde Ausdruck in seinen Augen, und endlich konnte ich ihn benennen: Verstehen. Ein beinahe menschliches Mitleid, als ob er für einen kurzen Moment dachte und fühlte wie einer von uns.
»Du wirst nie Enefa sein«, sagte er. »Aber du hast etwas von ihrer Stärke. Sei nicht beleidigt wegen des Vergleichs, kleine Spielfigur.« Ich schrak zusammen und fragte mich erneut, ob er Gedanken lesen konnte. »Ich stelle ihn nicht leichtfertig an.«
Dann trat Nahadoth zurück. Er breitete seine Arme weit aus, zeigte die schwarze Leere seines Körpers und wartete.
Ich trat in ihn hinein und wurde von Finsternis umfangen. Vielleicht bildete ich mir das ein, aber es schien diesmal wärmer zu sein.
Diamanten
D u bist unbedeutend. Eine unter Millionen, weder etwas Besonderes, noch einzigartig. Ich habe nicht um diese Schmach gebeten, und ich nehme den Vergleich übel.
Fein. Ich mag dich auch nicht.
Wir tauchten unter einem Kronleuchter in einer imposanten, hell erleuchteten Halle auf, die aus weißem und grauem Marmor bestand. Enge, rechteckige Fenster säumten sie. Wenn ich Elysium niemals gesehen hätte, wäre ich beeindruckt gewesen. Auf beiden Seiten der Halle befanden sich Türen aus poliertem Dunkelholz. Ich nahm an, dass wir vor der für uns wichtigen standen. Durch die offenen Fenster hörte man Händler, die ihre Waren anpriesen, ein jammerndes Baby, ein wieherndes Pferd und Frauengelächter.
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