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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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„Selbstverständlich habe ich das“, erklärte ein Mann. „Ich sehe sie regelmäßig. Ich bin mit ihr verheiratet.“
    Der nächste Mann verzog das Gesicht bei der Erwähnung eines allgemeinen Wahlrechts und schüttelte den Kopf, weigerte sich zu antworten.
    Als er mit dem dritten gesprochen hatte, hatte er seine Technik verfeinert. „Ist hier irgendwo zufällig eine Gruppe Frauen, die das allgemeine Wahlrecht fordert?“
    „Sie sollten dahin gehen, wo Higgins spricht“, antwortete ihm ein Mann und deutete auf einen weiter entfernten Bereich des Parks.
    Er begab sich zu der Stelle. Sie lag auf der anderen Seite der Serpentine, verborgen von einem Gehölz, und er benötigte eine Dreiviertelstunde, um sich durch die Menschenmenge einen Weg dorthin zu bahnen. Glücklicherweise hatte man ihn nicht in die Irre geschickt. Hier waren Rufe nach Wahlrecht für alle zu hören, nicht nur für alle arbeitenden Männer.
    Als er sich aus dem Gedränge löste, sah er eine große Gruppe Frauen. Sie standen dicht gedrängt zusammen, hatten sich alle gegenseitig untergehakt. Da, genau in der Mitte war …
    Das erste Mal, seit er heute Morgen aufgewacht war, verspürte Oliver Erleichterung. Er ging auf die Gruppe zu. „Free!“
    Ehe er zu ihr vordringen konnte, versperrte ihm eine Reihe Frauen, die sich untergehakt hatten, den Weg. Sie starrten ihn finster an. Eine Brünette von etwa vierzig kniff die Augen zusammen und drohte ihm mit mahnend erhobenem Finger.
    „Nicht weiter“, sagte sie scharf. „Jenseits dieses Punktes sind Männer nicht erlaubt.“
    „Ich wollte doch nur …“ Er machte eine Handbewegung. „Ich wollte nur mit ihr sprechen. Mit Frederica Marshall.“
    „Das geht nicht.“
    „Free!“, rief Oliver.
    „Schluss damit.“ Die beiden Frauen, die am nächsten bei ihm standen, machten einen Schritt auf ihn zu, und ihre Augen funkelten drohend.
    „Free!“, rief er wieder und winkte heftiger.
    „Fort mit Ihnen“, verlangte eine der Frauen. „Oder müssen wir jemanden holen, der Sie von hier wegschafft?“
    „Nein, warten Sie, ich …“
    In dem Augenblick drehte Free sich um.
    „Wartet!“, bat Free. Sie ließ die Arme der Frauen neben sich los und kam herüber. „Schickt ihn nicht weg“, erklärte sie. „Er ist mein Bruder.“
    „Na und?“ Die dunkelhaarige Frau wirkte unbeeindruckt. „Ihr wollt nicht wissen, zu welchen Maßnahmen mein Bruder bereit war.“
    „Er wird mir nichts tun“, versicherte Free ihnen. „Er hat nur den übertriebenen Wunsch, mich zu beschützen. Gebt mir ein paar Minuten, und ich sorge dafür, dass er uns nicht stört.“
    Oliver machte einen abfälligen Laut, aber als die Frauen ihn aus schmalen Augen anschauten, hob er die Hände. „Sie hat recht“, sagte er. „Ich möchte nur, dass sie in Sicherheit ist.“
    Die Frauen wechselten Blicke, lösten aber schließlich achselzuckend die verschränkten Arme. Free trat zwischen sie und hakte sich in bei ihnen unter.
    „Oliver“, sagte sie leicht unwillig. „Was tust du hier? Es ist hier nicht sicher.“
    Er starrte sie ungläubig an. Das machte sie immer – sie gab ihm das Gefühl, als stünde seine Welt plötzlich Kopf. „Was ich hier tue?“ Er schaute sich um. „Es ist hier nicht sicher? Ich bin kein junges Mädchen von sechzehn Jahren. Ich habe nicht heimlich mitten in der Nacht mein Zuhause verlassen, um ganz allein nach London zu fahren.“
    „Ja“, sagte Free. „Ich will wissen, was du hier tust. Du hast vermutlich in aller Herrgottsfrühe das Haus verlassen, und ich sehe hier weit und breit keine Anstandsdame für dich.“
    „Es geht doch gar nicht um mich.“ Er schaute ihr in die Augen. „Es geht darum, dass du zum zurzeit gefährlichsten Ort in ganz England gekommen bist, wo jederzeit Gewalt ausbrechen kann.“
    Sie legte den Kopf zur Seite und schaute sich um. „Oh“, sagte sie langsam. „ Gewalt . Verstehe.“ Sie hob eine Augenbraue und blickte zu dem Straßenverkäufer, der direkt hinter ihnen seine Waren zum Verkauf anpries. „Was wird er machen? Mit Pasteten nach mir werfen?“
    „Außerdem“, sagte Oliver und ignorierte diesen unpassenden Aspekt der Realität, „bist du sechzehn. Ich kann nicht glauben, dass du allein mit dem Zug gefahren bist.“
    „Du verwendest dauernd das Wort ‚allein‘“, stellte Free fest. „Aber du hast mir einmal gesagt, ich sollte erst die Fakten betrachten, bevor ich Schlüsse ziehe. Mary Hartwell hat mich im Karren ihres Vaters zum Bahnhof gebracht.

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