Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
dich zu akzeptieren, dass wir dich lieben und dass du dich auf diese Weise umbringst?“
Freddy verschränkte die Arme vor sich und schaute weg. „Erinnere deine Schwester bitte daran, dass ich nicht mit ihr rede, bis sie nicht höflich mit mir spricht. Und bis sie sich nicht für jedes grobe Wort entschuldigt hat, das sie zu mir gesagt hat.“
„Wie dir zu sagen, dass ich es hasse, dich so zu sehen? Du willst, dass ich mich dafür entschuldige, dass ich gesagt habe, dass du dich aufraffen musst? Du willst, dass ich mich dafür entschuldige, dass mir etwas an dir liegt? Niemals. Ich werde mich nie entschuldigen. Du liegst falsch, falsch, falsch, und ich hasse dich.“
„Sag deiner Schwester“, verlangte Freddy in noch schneidenderem Ton, „dass sie, wenn sie nicht höflich mit mir reden kann – wie ich es verlangt habe, als ich die Tür geöffnet habe –, hier nicht länger willkommen ist.“
„Gut! Dann halte mich nicht auf.“ Free ging zur Tür. Ihr großartiger Abgang wurde ein wenig von den komplizierten Schlössern behindert – sie brauchte einen Moment, bis sie sie geöffnet hatte –, aber nachdem es ihr gelungen war, knallte sie dennoch die Tür hinter sich zu.
Oliver stand auf.
„Du gehst ihr besser nach“, erklärte Freddy. Ihr Blick hing an den Schlössern, die nun nutzlos offen hingen. Sie sagte kein Wort, aber ihr Atem ging schneller. „Du weißt nicht … was dort draußen ist.“ Sie schluckte. „Es ist dunkel. Sie sollte wirklich nicht allein sein.“
„In diesen paar Augenblicken wird ihr nichts passieren.“ Oliver ging zur Tür und verriegelte die Schlösser wieder. „Sie wird das Haus nicht verlassen. Sie hat zu viel Verstand, als etwas so Dummes zu tun.“
Alle Wut wich aus Freddy, aber nichts von ihrem Unbehagen. Sie saß zusammengesunken auf ihrem Stuhl. Das allein schon bereitete Oliver Sorgen. Er setzte sich erneut, griff über den Tisch und nahm ihre Hand. „Freddy“, sagte er, „wenn es dich so unglücklich macht, warum zankst du dann mit ihr? Ich weiß, sie liebt dich. Alles, was du sagen müsstest, wäre, dass sie dir fehlt, dass du sie lieb hast, und alles wäre vergessen.“
Freddy starrte geradeaus. „Ich weiß“, flüsterte sie.
„Warum machst du es dann weiter?“
„Weil sie recht hat.“
Oliver zuckte zusammen. In seinem ganzen Leben hatte er Freddy diese Worte nie über irgendwen anders als sich selbst sagen hören. Vielleicht ganz selten einmal über Leute, die ihrer Ansicht waren.
„Sie hat recht“, flüsterte Freddy. „Sie hat recht. Ich bin hier gefangen.“ Ihre Augen glänzten. „Ich habe zu große Angst, nach draußen zu gehen, und doch bin ich hier gefangen. Ganz allein und ohne Beschäftigung. Ich weiß an manchen Tagen gar nicht, wer ich bin.“
„Oh Freddy.“
„Gestern habe ich die Tür geöffnet“, sagte Freddy. „Ich habe eine Fußspitze nach draußen gesetzt, aber dann bekam ich solches Herzrasen, dass ich aufhören musste.“
Oliver legte ihr einen Arm um die Schultern. „Das tut mir so leid. Warum erzählst du ihr das nicht einfach? Sie würde es verstehen, wenn du ihr sagten würdest, dass du es versuchst.“
„Was, und zugeben, dass sie recht hat?“, fragte Freddy scharf. „Bestimmt nicht. Ich weiß genau, wie ich das hier beenden werde. Eines Tages werde ich meine Tür öffnen. Ich werde die Treppe hinabgehen, so wie ich es immer getan habe. Ich werde die Haustür aufmachen …“ Sie hielt inne, ihre Hände zitterten. „Und dann unternehme ich einen Spaziergang in den Park.“ Sie nickte bestätigend. „Und dann schreibe ich ihr, dass sie sich irrt. Dass ich sehr wohl nach draußen gehen kann, dass ich es getan habe und dass ich mir ihre Unverschämtheit nicht länger gefallen lasse.“
„Freddy.“
Sie seufzte. „Na gut. Dann sag du ihr, dass ich es versuche“, bat sie, doch noch ehe Oliver darauf etwas erwidern konnte, trat ein störrischer Ausdruck auf ihr Gesicht. „Nein“, sagte sie. „Sag es ihr nicht. Ich möchte, dass es eine Überraschung für sie ist. Ich will, dass es für alle eine Überraschung wird. Ich zeige es ihr. Ich werde es ihr alles zeigen.“
Oliver tätschelte ihr die Hand. „Das wirst du ganz bestimmt. Würde es dir helfen, wenn ich käme, um dir zu helfen?“
„Du bist so ein lieber Junge, Oliver. Du hast nicht viel von deiner Mutter geerbt.“
Oliver wurde ganz still. „Findest du?“
„Natürlich finde ich das“, erwiderte Freddy. Ihr Blick richtete sich in die
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