Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
Ihre Nichte zu umwerben ist eine heikle Angelegenheit. Ist es ein Wunder, dass sie denkt, ich sei nur an Ihrem Geld interessiert? Sie hat so viel davon, was für sie spricht, aber daneben so wenig anderes.“
Janes Lippen verzogen sich widerwillig zu einem Lächeln.
Dorling wollte ihr Geld. Ihre Tante wollte sie loswerden. Es war kaum eine Überraschung, dass sie sich zusammengetan hatten. Es würde natürlich nichts nützen – Jane hatte nicht vor, irgendjemand zu heiraten –, aber wenigstens gab es ihrer Tante etwas zu tun. Sie war unterdessen schon für Kleinigkeiten dankbar.
„Das ist nicht akzeptabel“, erklärte ihre Tante und bereitete Janes Erheiterung ein jähes Ende. „Mein Bruder ist bereit. Aber er kann nichts unternehmen, bis Sie sich um das Mädchen gekümmert haben.“
Jane stockte der Atem. Was konnte sie nur damit meinen, dass ihr Onkel bereit war? Dass Dorling sich um Jane kümmern musste?
„Das werde ich ja“, antwortete Dorling, „sobald …“
„Die Zeit läuft uns davon“, schimpfte ihre Tante. „Er macht sich mehr und mehr Sorgen um ihre Schwester. Sie benimmt sich seltsam.“
‚Unglücklich‘ war das Wort, das Jane gewählt hätte. Emily war es nicht gestattet, das Haus zu verlassen, und ihr Onkel achtete jetzt sorgfältiger darauf, dass sich ihr keine Gelegenheit bot, zu entwischen. Es war kein Wunder, dass ihre Schwester sich nicht normal verhielt.
Aber Tante Lily war noch nicht fertig. „Wenn die Ärzte seine Befürchtungen bestätigen, wird er sie im Juni in die Irrenanstalt in Northampton einweisen lassen. Das wird das Beste für sie sein, das arme Kind. Sie müssen jetzt handeln.“
Jane konnte es nicht verhindern, dass sie hörbar keuchte. Als sie merkte, was sie getan hatte, schlug sie sich die Hand vor den Mund. In eine Irrenanstalt einweisen? Emily war zornig, nicht verrückt.
Aber bei Janes letztem Besuch hatte sie tatsächlich Ärzte erwähnt, die gekommen waren und ihr Fragen gestellt hatten. Seltsame Fragen. Sie hatten es beide achselzuckend abgetan, sich nichts weiter dabei gedacht. Aber wenn Titus Wahnsinn in Erwägung zog, hatten diese Ärzte ihren Verstand untersucht, nicht ihren Körper.
Es war ein warmer, sonniger Tag, aber Jane fror mit einem Mal. Wenn Titus Emily für geistig unzurechnungsfähig erklärte … wäre das furchtbar.
Sie hatte einen Fehler gemacht. Sie hatte einfach den legalen Status quo akzeptiert. Sie hätte schon vor Monaten mit ihrer Schwester fliehen und sich nicht darum scheren sollen, dass das ein Verbrechen gewesen wäre.
Die Kälte, die sich in ihr ausbreitete, hatte nichts mit dem Wetter zu tun.
„Machen Sie sich keine Sorgen“, sagte Dorling. „Sobald sie die Meine ist, wird sie keine Gelegenheit mehr haben, Ärger zu machen.“
Die Kälte, die inzwischen bis in Janes Fingerspitzen vorgedrungen war, war betäubend. Sie hatte gedacht, ihre Tante wollte sie nur verheiraten. Aber die Wahrheit war viel schlimmer. Jetzt konnte sie den Plan erkennen. Wenn Jane heiratete, würde sie nicht länger über ihr Vermögen verfügen. Und die Drohungen, die sie gegen Titus ausgestoßen hatte, waren wertlos, wenn sie nichts tun konnte. Sie hatten vor, sie hilflos zu machen, ihr alle Unterstützung nehmen. Sie wäre ganz allein.
„Wir können es noch heute Abend erledigen“, sagte Dorling, „wenn Sie mich nach der Gesellschaft einfach in ihr Zimmer lassen, so wie wir es bereits besprochen haben.“
Jane war vorher schon kalt gewesen, aber jetzt war sie wie zu Eis erstarrt. Sie konnte sich nicht bewegen. Sie wollte ihren Ohren nicht trauen.
„Und ich habe Ihnen gesagt“, erwiderte ihre Tante mit einer gewissen Schärfe in der Stimme, „dass ich mich weigere, mich wegen dieser Angelegenheit hier schmutziger zu fühlen, als es unbedingt sein muss. Es ist schon schlimm genug, wie es ist. Vergewaltigung dulde ich nicht, auf keinen Fall.“ Es entstand eine Pause. „Außerdem bezweifle ich, dass ihr an ihrem Ruf etwas liegt.“
Jane umklammerte den Baumstamm und dankte ihrer Tante stumm. Sie war unhöflich und furchtbar, sicher, und sie beteiligte sich an einer Verschwörung gegen sie. Aber hierfür hätte Jane sie küssen mögen.
„Das wird nicht nötig sein“, sagte Dorling. „Ich kann sehr überzeugend sein. Vertrauen Sie mir.“
Nein. Vertrau ihm bei gar nichts. Aber Jane wurde nicht gefragt.
„Ich … nun …“ Wieder eine Pause, dieses Mal länger.
Nein , wollte Jane schreien. Zögere nicht, gib nicht nach, nicht
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