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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Ferne. „Manche Leute erinnern sich an den Reiz, wenn sie sich verbrennen. Sie fassen einmal ins Feuer, und wenn sie sich verbrennen, schmieden sie Pläne und suchen eine Möglichkeit, wie sie glühende Kohle halten trotzdem können. So ist deine Mutter. Aber manche von uns erinnern sich an den Schmerz.“ Sie streckte eine Hand aus und legte sie auf Olivers. „So bist du. Du vergisst den Schmerz nicht, und du zuckst zurück. Als du jünger warst, dachte ich immer, du seist wie deine Mutter – ein echter Kohlegreifer. Aber nein. Jetzt sehe ich klarer.“ Sie lächelte traurig. „Du bist wie ich.“
    Er atmete scharf aus und sah seine Tante an. Sie hatte das vermutlich als Kompliment gemeint. Aber die Schatten unter ihren Augen waren ganz dunkel. Ihre Haut hing schlaff um ihre viel zu dünne Gestalt. Er hatte nie gewusst, was sie fürchtete, was sie so gemacht hatte, wie sie war. Seine Mutter hatte gesagt, Freddy habe es nie erklärt. Vielleicht erinnerte sie sich jetzt auch gar nicht mehr.
    „Ich kann häufiger zu Besuch kommen“, wiederholte er.
    „Nein.“ Sie schüttelte den Kopf. „Unsere monatlichen Treffen sind vollkommen ausreichend, mein Lieber. Andere Leute machen mich nur nervös. Sogar du.“ Sie hob das Kinn. „Aber sorge dich nicht um mich. In einer Woche … oder so … werde ich in den Park gehen. Wart‘s nur ab.“
    Er schaute sie an. Ihr Kinn war entschieden gereckt, aber es bebte auch. Ihre Augen blitzten trotzig.
    „Eines Tages“, sagte sie, „eines Tages werde ich durch diese Tür dort gehen und durch den Park spazieren. Eines Tages sehr bald.“
    „Ich hab dich lieb, Tante Freddy“, sagte Oliver, und weil er wusste, dass es stimmte, fügte er hinzu: „Free liebt dich auch. Das weißt du selbst.“
    „Stimmt.“ Freddy machte eine Pause, biss sich auf die Lippe. „Und sie ist ganz allein dort draußen.“ Ihre Hände zitterten. „Du solltest besser zu ihr gehen, Oliver.“

Kapitel 18

    Ein paar hundert Meilen nördlich von London in Nottingham
    „S IE WAR NICHT DA .“
    Das kleine Wäldchen, in dem Jane stand, verdeckte die Sicht auf sie. Beim Klang dieser allzu vertrauten Stimme lehnte sie die Stirn gegen den Stamm des Baumes neben sich. Das war besser, als in hilflosem Ärger den Kopf gegen die raue Borke zu schlagen. Nicht, dass sie sich Sorgen um ihre Stirn machte, aber das Geräusch würde am Ende die Aufmerksamkeit auf sie lenken, und das war das Letzte, was sie gebrauchen konnte.
    Die letzten paar Monate waren … schwierig gewesen. Annabel Lewis hatte sie gewarnt, dass ihre Tante und Lord Dorling ein bisschen zu vertraut miteinander wirkten, wenn sie nicht in der Nähe war. Das hatte sie nicht glauben wollen, aber …
    Jane schaute auf. Die Blätter an den Bäumen waren nicht länger jung, sie wehten in der Morgenbrise, raschelten leise. Und ihre Tante Mrs. Lily Shefton räusperte sich auf der Lichtung hinter ihr.
    Es war immer noch früh – eine seltsame Zeit, unterwegs zu sein, aber ihre Tante hatte darauf bestanden, dass der heutige Morgen für einen Spaziergang durch diesen baumreichen Teil des Parks am Rande Nottinghams ideal sei. Sie waren hergekommen, und ihre Tante war prompt verschwunden und hatte sie einfach allein gelassen.
    Sie hatte versucht, Jane mit Dorling zusammenzubringen. Jane verdrehte die Augen. Was hatte sie gedacht, was geschehen würde?
    „Man sollte doch meinen“, sagte ihre Tante soeben, „dass etwas so Banales wie die Zuneigung einer Frau leicht zu gewinnen wäre. Ich habe Ihnen jede Gelegenheit geboten, Dorling, und Ihnen ist es noch nicht gelungen, die Sache unter Dach und Fach zu bringen. Was ist los mit Ihnen?“
    „An mir liegt es nicht. Es ist Ihre blö… Ihre bockige Nichte.“
    Jane konnte Dorlings Miene nicht sehen, aber sie konnte sie sich vorstellen. Der Ehrenwerte George Dorling hielt große Stücke auf sich selbst. Er hatte Annabel bedrängt, bevor Jane gekommen war, die eine deutlich reichere Beute darstellte. Ihm wurden die üblichen Dinge nachgesagt – der zweite Sohn eines Baronets, der wegen seiner Exzesse bei Frauen und Glücksspiel aus London nach Nottingham verbannt worden war.
    „Nun, dann beeilen Sie sich“, riet ihre Tante. „Diese ganze Geschichte gibt mir das Gefühl schmutzig zu sein. Ich habe meinem Bruder versprochen, ich würde sie verheiraten, und das werde ich auch. Wenn Sie das nicht schaffen, suche ich mir einen anderen.“
    „Ja, ja“, sagte Dorling träge. „Haben Sie doch noch etwas Geduld.

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