Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
dass Miss Fairfield, wenn sie den Mund hielt, wenn man die Monstrosität vergessen konnte, die sie trug, im Grunde genommen sehr hübsch war. Ihre Arme hatten Grübchen, die in ihm den Wunsch weckten, sie genauer zu erkunden. Und sie schaute ihn aus Augen an, die bewundernswert strahlend waren.
„Ich bitte um Verzeihung“, sagte er. „Ich habe die hier für Sie gehalten, aber jetzt muss ich gehen … und mit jemandem reden.“
Sie schaute ihn verwundert an. Er verbeugte sich und ging.
„Was ist denn mit dem los?“, hörte er Whitting fragen.
Es war ganz einfach. Er lachte nicht gern über andere. Er konnte zu viel von sich selbst in dem Objekt ihrer Belustigung wiederfinden. Und auch wenn sich seit seiner Kindheit vieles geändert hatte, das würde nie anders werden.
J ANE SCHLOSS DIE T ÜR zum Zimmer ihrer Schwester und stieß ihren angehaltenen Atem aus. Das Gesicht schmerzte ihr von der Anstrengung, die ganze Zeit lächeln zu müssen. Sie legte ihren Umhang auf die Kleiderpresse und ließ die Schultern kreisen, lockerte Muskeln, die total verspannt waren. Es war, als würde sie wieder sie selbst, ein echter Mensch mit eigenen Gefühlen und Wünschen statt ein Trugbild, das all den Unsinn sagte, der gerade erwartet wurde.
Es war schön, wieder Gefühle haben zu können. Besonders, da der Grund für diese verzweifelte Scharade im Nachthemd vor ihr auf der Bettkante saß.
„Und?“, fragte Emily. „Wie war es? Was ist passiert?“
Irgendwie schien sie, um das einladende Lächeln ihrer Schwester zu erwidern, nicht die Muskeln zu benötigen, die sie heute den ganzen Abend lang überstrapaziert hatte.
Sie sahen nicht wie Schwestern aus. Emily hatte weiches blondes Haar, das sich ohne weitere Hilfe lockte. Janes Haare waren dunkelbraun. Emilys Züge waren zart – wie das Gemälde eines Künstlers mit einem Faible für feingezeichnete Brauen und dichte, lange Wimpern. Jane hingegen – nun, an Jane war nie irgendetwas zierlich oder zart gewesen. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die man als unscheinbar bezeichnen würde. Sie war, nahm sie an, im Grunde genommen recht hübsch, aber auf eher rundliche Art.
Wenn sie und ihre Schwester nebeneinander standen, fühlte Jane sich wie ein Brauereigaul. Die Sorte Pferd, das die Leute auf der Straße aus großen Augen bestaunten, wenn es über das Kopfsteinpflaster an ihnen vorübertrabte, und einander zuflüsterten: Das Vieh hat ein Stockmaß von wenigstens neunzehn Hand, wette ich. Und ist mindestens zwanzig Zentner schwer.
Jane nahm an, dass sie ihren jeweiligen Vätern nachgerieten. Und das war ein Teil von Janes Problem.
„Und?“, fragte Emily noch einmal. „Was hält der Neue von dir?“
Manche Leute verwechselten Emilys Energie mit kindlicher Begeisterung. Jane kannte ihre Schwester besser. Sie war ständig in Bewegung – lief, wenn es erlaubt war, ging, wenn das nicht der Fall war. Und wenn sie gezwungen war, irgendwo länger still zu sitzen, schwang sie die ganze Zeit die Beine.
In diesen Tagen schwang sie sie praktisch ununterbrochen.
Jane dachte kurz nach, bevor sie antwortete. „Er ist immerhin groß“, sagte sie schließlich. Er war wirklich groß, vielleicht einen Zoll größer als Jane in ihren Schuhen mit Absätzen, was bei einem Mann selten war. „Und klug.“ Er hatte vor seiner schlagfertigen Antwort mit dem Tower von London nicht lange nachdenken müssen. „Glücklicherweise ist es mir gelungen, ihn am Ende zu ermüden.“
Sie lächelte leicht in Richtung Tür, während sie redete. Ah, der bittersüße Geschmack des Sieges. Er war wirklich beeindruckend gewesen. Er hatte sich solche Mühe gegeben, zu ihr und ihrem Geld nett zu sein.
„Wie hast du das geschafft?“
„Ich musste von seinem Teller essen“, gestand Jane.
„Wie herrlich. Du hast meinen Trick benutzt.“ Emily lächelte strahlend und stieß mit einem Bein gegen den rosafarbenen Rüschenvolant ihrer Bettdecke. „Ich dachte, du hättest gesagt, das wolltest du dir aufheben. Ich werde mir etwas Neues einfallen lassen müssen.“
„Ich hatte es mir aufgehoben.“ Jane blinzelte. „Er war wirklich wild entschlossen, freundlich zu mir zu sein, und er war darüber hinaus auch noch komisch. Wenn ich ihn noch länger mit mir hätte reden lassen, hätte er mich zum Lachen gebracht. Ich musste ihn kleinkriegen, bevor es so weit kommen konnte.“
Am Ende hatte er einen ganz seltsamen Ausdruck auf dem Gesicht gehabt, ernst, fast brütend, als hätte er verzweifelt
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