Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
hielt sie ihm hin. „Ich entlasse Sie nicht, Dr. Fallon. Sie können diese zwanzig Pfund haben, wenn Sie jetzt gleich gehen. Sie müssen meinem Onkel nur sagen, dass Sie zu dem Schluss gekommen sind, dass Ihre Behandlungsmethode für das Leiden meiner Schwester nicht geeignet ist. Er wird Sie bezahlen. Ich werde Sie bezahlen. Und wir profitieren alle.“
Er kratzte sich am Kopf. „Aber wie kann ich ohne weitere Experimente wissen, ob meine Behandlungsmethode ungeeignet ist?“
Manchmal wünschte Jane, sie besäße ein Talent für diplomatische Reden. Sie wünschte, sie beherrschte kokette Blicke und unschuldige Lächeln. Aber das tat sie nicht. Sie war in diesen beiden Formen der Überredung grässlich schlecht. Sie war hingegen gut darin, ihre Meinung zu sagen und Geld auszugeben.
„Das werden Sie auch nicht herausfinden“, teilte sie ihm mit. „Sie werden weiter in Unwissenheit leben müssen. Das gehört dazu, wenn man sich bestechen lässt. Ich gebe Ihnen Geld, und Sie erzählen die Lügen, die notwendig sind.“
Seine Augen waren groß geworden, während sie sprach. „Aber das wäre unehrlich“, wandte er ein.
Himmel. Ihr Onkel hatte dieses Mal einen ehrlichen Scharlatan aufgetrieben. Die anderen waren nur zu begierig darauf gewesen, das ihnen gebotene Geld zu nehmen.
„Fünfundzwanzig Pfund“, versuchte sie es. „Zwanzig für Sie und fünf, um sie einem wohltätigen Zweck zu spenden, um ihr Gewissen zu besänftigen.“
Er zögerte.
„Kommen Sie“, sagte Jane, „möchten Sie etwa, dass die Armen leiden, nur weil Sie nicht genug Mut besaßen, dieses Haus zu verlassen?“
Er streckte den Arm aus, aber ehe er ihr die Banknoten abnehmen konnte, riss er seine Hand wieder zurück und schüttelte empört den Kopf. „Das hier“, sagte er mit bebender Stimme, „ist ein gottloser Haushalt.“
Jane hätte ihn am liebsten geschlagen. Er war noch nicht einmal ein echter Arzt. Er wollte ihre Schwester quälen. Und sie war die Gottlose hier? Vielleicht sollte sie ihm vierzig Pfund bieten.
Aber Emily war es, die lächelte und ihn mit unschuldsvollem Augenschlag anschaute. „Oh“, sagte sie mit täuschend naiver Stimme. „Aber das stimmt. Wirklich. Wir lügen die ganze Zeit. Sie werden hier nicht bleiben wollen. Am Ende ist es ansteckend.“
Ironischerweise, dachte Jane, entsprach das sogar der Wahrheit.
„Sie sollten unser dreckiges Geld nehmen und unseren grässlichen Lügen den Rücken kehren“, fuhr Emily fort.
Er schaute von der einen Schwester zur anderen und wieder zurück.
„Hier“, sagte Jane und fügte eine dritte Banknote zu denen hinzu, die sie bereits in der Hand hielt. „Hier haben Sie dreißig Pfund. Gehen Sie jetzt gleich, verlassen Sie die Stadt. Sie können immer noch den Zug um sechs Uhr erwischen.“
Er zögerte, schwieg.
„Alice wird Ihre Sachen zusammenräumen, nicht wahr, Alice?“ Das Hausmädchen hatte am Fenster gesessen – angeblich des Anstandes wegen, solange Emily mit dem Arzt allein war. Aber wie alle Dienstboten in diesem Haushalt erkannte sie eine Gelegenheit, sich etwas dazuzuverdienen, sobald sie sich bot. Sie sprang auf die Füße und trat vor. Dr. Fallon unternahm keine Anstalten, sie aufzuhalten, als sie seine Gläser in Baumwolle zu wickeln begann.
„Ich bin nicht sicher“, sagte er. „Es scheint nicht richtig.“
„Nun, wenn Sie lieber bleiben wollen“, erklärte Emily, „dann können Sie das gerne.“
Jane sandte ihrer Schwester einen überraschten Blick.
Alice löste die Drähte, die an Janes Schwester befestigt waren, und Emily stand auf. Sie machte einen Schritt auf den Arzt zu. Jane hätte die Pose gewiss bewundert, aber die Mullstreifen, die noch an ihrem Arm hingen, ruinierten die Wirkung.
„Wie Sie sagten, dies ist ein gottloser Haushalt. Wir beten zu Ba’al“, teilte ihm Emily mit ernster, aufrichtiger Miene mit. „Jeden Abend. Und zu Apoll, dem Sonnengott, bei Tagesanbruch. Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie sich zu uns gesellen.“
Jane musste sich auf die Lippen beißen, um nicht in Gelächter auszubrechen.
„Es gibt so wenige Heiden in England, und Sie sehen aus wie ein großer strammer Mann aus, der uns eine willkommene Ergänzung wäre …“
Dr. Fallon lief dunkelrot an und nahm Jane die Banknoten aus der Hand. „Sie haben ganz recht“, stellte er kühl fest. „Ich kann nicht … ich darf nicht in diesem Haushalt bleiben.“
Alice reichte ihm wortlos den Weidenkorb, in den sie in der Zwischenzeit seine
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