Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
tief Luft, blickte um sich in eine Welt, die sie nicht länger verstand. Dann atmete sie langsam aus.
„Geraldine“, hörte sie sich sagen. „Genevieve, ich muss Ihnen ein Geständnis machen. Ich bin auch nicht sonderlich nett zu Ihnen gewesen. Nicht seit den ersten paar Wochen.“
Sie hielten inne, rissen beide ihre porzellanblauen Augen auf.
„Ich …“ Sie holte tief Luft. „Ich bin mit Absicht so schrecklich. Ich muss mich bei Ihnen beiden entschuldigen."
„Oh, nein“, hauchte Geraldine, machte einen Schritt zu ihr, und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus.
„Allerdings.“ Genevieve lachte. „Lassen wir die Entschuldigungen. Ich möchte lieber eine Erklärung. Die ist ganz bestimmt interessant.“
D IE DREI F RAUEN gingen lange spazieren, sprachen sich aus und achteten kaum auf die Pflanzen um sie herum.
„Weißt du“, sagte Genevieve ernst, als es schließlich Zeit wurde, sich zu trennen, „ich möchte auf keinen Fall heiraten. Jedes Mal, wenn ich daran denke, dass ein Mann mich anfassen könnte, werde ich ganz panisch.“
Geraldine tätschelte ihrer Schwester den Arm. „Mama sagt, darüber würde sie schon noch hinwegkommen, aber Genevieve und ich tun alles zusammen. Wir hatten unseren ersten Monatsfluss am selben Tag. Es ist närrisch zu glauben, das werde sich ändern, wenn wir doch in diesem Punkt immer anders empfunden haben. Daher unterstütze ich sie aus schwesterlicher Solidarität, bis sie volljährig ist.“
„Es ist eine solche Schande“, seufzte Genevieve. „Ich wäre eine wunderbare Ehefrau, wenn ich nur jemanden wie ihren Hapford fände. Ich würde so gern das Geld meines Gatten für wohltätige Zwecke ausgeben. Stattdessen werde ich gezwungen sein, sparsam zu wirtschaften. Also wird sie die Kinder bekommen, und ich werde sie restlos verwöhnen und die aufregende, schlimme Tante sein. Ich werde sie mit Süßigkeiten vollstopfen, bis sie völlig außer Rand und Band sind, und dann übergebe ich sie einfach wieder ihrem Kindermädchen und gehe.“
„Du kamst wie vom Himmel gesandt“, sagte Geraldine. „Wir haben bis jetzt immer alles richtig gemacht. Genevieve hatte solche Angst, dass man ihr so lange zusetzen würde, bis sie den Antrag eines akzeptablen Herrn annehmen müsste und den Rest ihres Lebens unglücklich wäre. Und dann haben wir dich getroffen. Alles, was wir sagen mussten, war: ‚Oh, nein, wir können unmöglich ohne unsere liebe Freundin Miss Fairfield teilnehmen‘, und plötzlich nahmen unsere Einladungen ab. Es war so ein günstiger Umstand.“
Es war für sie alle günstig gewesen. Dass sie jetzt darüber gesprochen hatten, hatte den Samen zu etwas Warmem und Echtem in die Überreste ihrer früher kalten und unechten Freundschaft gepflanzt.
„Wir sehen uns heute Abend?“, fragte Geraldine fast zwei Stunden später, als sie zurück zum Eingang des Gartens kamen.
Mrs. Blickstall wartete auf Jane, saß auf einer Bank nahe am Eingang. Sie blickte auf, aber falls ihr etwas seltsam an dem Umstand vorkam, dass die Frauen Arm in Arm gingen und einander mit echter Freude anschauten, so sagte sie nichts.
Genevieve küsste Jane auf die Wange, dann beugte sich Geraldine vor und tat es ihrer Schwester nach.
„Jetzt wird alles besser“, flüsterte Geraldine ihr zu. „Für uns alle. Du wirst sehen.“ Sie winkten ihr zum Abschied.
Mrs. Blickstall stand auf.
Aber irgendwie fühlte es sich für Jane nicht richtig an, jetzt zu gehen. Sie war sich nicht sicher, warum, bis ihr wieder einfiel, was sie im Gewächshaus zurückgelassen hatte. Sie hatte in dem Moment so getan, als hätte sie nicht gesehen, was geschehen war, aber irgendwie konnte sie den Anblick der zerstörten Pflanze nicht vergessen.
„Ich brauche noch etwas“, sagte sie.
Dass sie ihre Anstandsdame bestach, hatte eine besonders erfreulich Auswirkung: Sie konnte immer tun, was sie wollte. Mrs. Blickstall zuckte die Achseln und setzte sich wieder auf ihren Platz. Jane ging wieder in die Gärten, den Weg am Bach entlang, zurück zu den Gewächshäusern.
Sie war ein Schandfleck. Gift. Eine Seuche. Sie war der Feind jeglicher vernünftiger Unterhaltung. Erwachsene Männer wollten sich lieber von Löwen zerfleischen lassen, als mit ihr Konversation zu machen.
Sie hasste alle für die Witze, die sie auf ihre Kosten gemacht hatten.
Wann also hatte sie angefangen, ihnen zu glauben? Dass sie eine Plage war, dass niemand sie wirklich leiden konnte? Dass jedes Wort aus ihrem Mund für
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