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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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Kommode und hob eine Augenbraue. „Oh“, sagte sie. „Verstehe. Und ich dachte schon, ich sei diejenige, bei der nie etwas geschieht.“
    Jane verzog das Gesicht. „Es tut mir leid, Liebes.“
    „Versuch nicht so plump, mich bei Laune zu halten“, verlangte Emily scharf. Darauf gab es nichts weiter zu erwidern – nichts jedenfalls, was es nicht nur schlimmer machen würde –, daher hielt Jane den Mund.
    Schließlich sprach Emily weiter. „Wusstest du, dass es Leute gibt, die kein Fleisch essen?"
    Es war offenkundig die Nacht der seltsamen Fragen. „Ich kannte mal einen Mann, der den Geschmack von Schinken nicht mochte.“
    „Nicht nur Schinken. Überhaupt kein Fleisch.“ Aus irgendeinem Grund konnte ihr Emily nicht in die Augen sehen, und Jane kam ein Verdacht.
    „Emily“, fragte sie vorsichtig, „haben diese Leute, die kein Fleisch essen und keinen Alkohol trinken, vielleicht auch einen Namen?“
    Ihre Schwester zuckte achtlos die Achseln. „Natürlich nicht. Oder wenigstens haben sie keine Namen, die ich kenne. Wie sollte ich?“
    Wenn Jane nicht gewusst hätte, was für eine ausgezeichnete Lügnerin ihre Schwester war, wäre sie nie auf den Gedanken gekommen, dass irgendetwas nicht stimmte. Aber Jane kannte Emily viel zu gut, und die musterte sie eindringlich. Ihr fiel auf, dass etwas anders war.
    Emily zappelte nicht. Sie wippte nicht auf der Bettkante, schwang nicht die Beine. Sie malte nur müßig mit dem Finger auf ihrer Bettdecke herum.
    Bevor sie zu Titus gekommen waren, hatte sie das, was ihre Schwester den Tag über getrieben hatte, an ihrer Unruhe am Abend ablesen können. War sie zwei Stunden lang durch die Gegend gestreift? Dann konnte sie zur Bettzeit ruhig und ordentlich dasitzen. Hatte es hingegen geregnet, sodass sie ans Haus gefesselt gewesen war, konnte sie einfach nicht stillhalten, hüpfte auf und nieder oder lief umher.
    Jetzt war Emily ganz ruhig.
    In Jane begann sich ein Verdacht zu regen. Ihre Wangen hatten deutlich mehr Farbe, und …
    „Emily, warst du …?“
    Ihre Schwester schaute rasch auf. „Nichts“, flötete sie mit süßer Stimme. „Ich habe nichts getan. Merkst du, wie das ist?“
    Jane schüttelte den Kopf. „Egal. Ich will es eigentlich gar nicht so genau wissen. Wenn Titus dahinter kommt, will ich in der Lage sein, überzeugend Unkenntnis zu heucheln, und das geht nur schwer, wenn du mir alles vorher verrätst.“
    Ein wehmütiges Lächeln trat auf das Gesicht ihrer Schwester, und sie schaute fort. Jane kannte dieses Lächeln.
    „Sag mir einfach nur, dass du bei allem, was du tust“, Janes Stimme verlor sich langsam, „oder auch nicht tust …“
    Was immer es war, was Emily trieb, sie musste dazu das Haus verlassen. Allein. Blickstall war heute mit Jane unterwegs gewesen. Es war nicht ganz ungefährlich, und damit meinte sie nicht die albernen Sorgen, die Titus hegte.
    „Versprich mir“, bat sie, „dass du auf dich aufpasst.“
    „Selbst Titus könnte nichts dagegen haben.“ Emily lächelte listig. „Ich lese seine juristischen Schriften, das ist alles.“ Mit ihrem Finger fuhr sie das Rankenmuster auf der Bettdecke nach.
    „Wenn du seine Bücher liest“, sagte Jane leise, „ist dir vielleicht aufgefallen, dass Menschen manchmal anderen etwas antun. Ich fände es schrecklich, wenn du Verbrechen aus persönlicher Erfahrung kennenlerntest.“
    „Oh nein.“ Emily malte mit der Fingerspitze eine geschnörkelte Linie. „Das ist völlig ausgeschlossen.“
    „Es ist nie ausgeschlossen …“
    „Rein hypothetisch gesprochen …“, sagte Emily. „Wenn jemand nicht bereit ist, Tiere zu essen, weil er glaubt, es sei nicht richtig, anderen Lebewesen etwas anzutun, dann folgt daraus doch, dass er das Gleiche bei Menschen glauben würde.“
    „Nein“, erwiderte Jane, „das folgt nicht daraus. Bitte denk das nicht.“
    Emily hörte auf, mit ihrem Finger auf die Decke zu malen. Sie hielt ganz still – etwas, was sie so selten tat, dass Jane fühlte, wie sie sich unwillkürlich vorbeugte und sie am liebsten an der Schulter gerüttelt hätte, um sich zu überzeugen, dass sie noch atmete.
    „Selbst wenn ein Fels sich nicht bewegt“, sagte ihre Schwester schließlich, „schleift ihn das Wasser trotzdem ab. Ich leide, Jane, und wenn ich stillhalte, wird Titus mich abschleifen. Und manchmal frage ich mich, ob am Ende überhaupt noch was von mir übrig sein wird.“
    „Emily.“ Jane berührte ihre Schwester an der Hand. „Das werde ich nicht

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