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Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Die Erbin und ihr geliebter Verraeter

Titel: Die Erbin und ihr geliebter Verraeter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Courtney Milan
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wie das funktioniert. Wir dürfen Sarah aus Ihrer heiligen Schrift heranziehen, aber nicht Jesus. Ich nehme an, wenn ich die Bhagavad Gita erwähnte, würde das auf Ablehnung stoßen.“
    „Was ist das?“, fragte Sarah neugierig.
    „Man könnte es als eine der heiligen Schriften des Hinduismus bezeichnen.“
    Sie dachte nach. „Ich halte mich beileibe für keine Expertin in englischem Recht, aber ich vermute, man kann davon ausgehen, dass es keine gute Idee wäre, vor einem englischen Gericht Hindu-Schriften zu zitieren.“
    „Englische Gesetze sind unverständlich. Ihre Heilige Schrift ist das einzige stichhaltige Argument, das man vorbringen kann, und selbst dann wird es nur verwendet, solange es einem zupass kommt, sonst nicht. Wie soll das sinnvoll sein? Es gibt kein Leitprinzip.“
    „Ich denke, Mr. Bhattacharya, dass Sie das sehr wohl verstehen“, sagte Emily. „Ihr Problem besteht nicht darin, es nicht zu verstehen, sondern darin, es zu akzeptieren.“
    „Das sehen Sie falsch“, widersprach er ruhig. „Ich akzeptiere es, aber wie soll ich Unlogik anwenden? Und dabei behaupten Sie, dass das englische Recht der Gipfel der Zivilisation sei.“
    „Ich?“ Emily machte einen Schritt nach vorn. „Ich habe nichts in Bezug auf das englische Recht behauptet. Englisches Recht besagt, dass ich keine eigenen Entscheidungen treffen kann, dass ich, obwohl ich alt genug bin, um zu heiraten und Kinder zu bekommen, nichts dazu zu sagen habe, mit wem ich lebe oder wer meinen Körper anfassen darf. Englisches Recht besagt, dass ich mich den Anweisungen meines Onkels fügen muss, auch wenn er mich in mein Zimmer einsperren möchte.“
    Er schaute sie seltsam an. „Ihr Onkel“, sagte er langsam. „Aber ich dachte, Ihr Onkel …“ Er blickte den Weg entlang. „Was meinen Sie damit, er würde Sie in Ihr Zimmer einsperren?“
    Sie schluckte. „Er ist vielleicht doch nicht so ein Freigeist, wie ich anfangs angedeutet habe.“
    Er machte einen Schritt zurück. „Ich bin nicht sicher, ob Sie Ihrem Onkel gegenüber ungehorsam sein sollten. Er ist Familie. Das ist nicht nur das Gesetz, sondern auch nur vernünftig. Ich dachte …“
    „Ich habe die Wahrheit vielleicht ein bisschen beschönigt“, räumte sie gereizt ein. „Mein Onkel ist nicht …“
    „Ich würde den Wünschen meiner Familie nicht so zuwider handeln.“
    „Selbstverständlich würden Sie das“, antwortete Emily. „Wenn Ihre Familie von Ihnen wollte, etwas Widerwärtiges zu tun. Nehmen Sie zum Beispiel an, Ihr Vater sei ein Despot wie Napoleon, und dass er Ihnen befehlen würde …“
    Aber er schüttelte bereits wieder den Kopf. „Jetzt verstehe ich Sie wirklich nicht. Was ist so schrecklich an Napoleon?“
    Er war so ruhig, lächelte so oft, dass Emily zuerst dachte, er scherze. Aber dann sah sie die Falte zwischen seinen Brauen, den finsteren Blick, den er ihr zuwarf.
    Sie warf die Hände in die Luft. „Seien Sie nicht albern. Er hatte vor, den ganzen europäischen Kontinent zu erobern, gleichgültig um welchen Preis in … in …“
    Sie schluckte, als ihre Gedanken weitersprangen.
    „Oh“, sagte sie in stummem Entsetzen.
    Er hob nicht einmal eine Augenbraue.
    „Oh“, wiederholte sie, legte eine Hand auf ihren Bauch. Ein paar Augenblicke schwieg sie.
    Er sprach, als ihr gerade das ganze Ausmaß ihrer Unbedachtheit aufging. „Die Ostindien-Kompanie hat Kalkutta vor mehr als hundert Jahren einfach für sich beansprucht. Sie können sich nicht vorstellen, was für Gräuel ich gesehen habe. Vor zehn Jahren gab es im Norden einen Aufstand. Sie haben vermutlich gar nicht davon gehört.“
    Er sagte das ohne sichtliche Regung. Und er hatte recht. Sie wusste nichts davon. „Sprechen Sie weiter“, murmelte sie.
    „Mehrere der indischen Regimenter meuterten. Inder töten Inder.“ Seine Hände ballten sich zu Fäusten, aber sein Blick war nach innen gewandt. „Mein Bruder war in der Armee. Sie riefen ihn zu Hilfe.“
    Nur diese wenigen Worte, aber sie sah den grimmigen Zug um seinen Mund.
    Er schüttelte den Kopf und schaute zur Seite. „Ich kannte viele von ihnen“, sagte er schließlich. Er gab sich innerlich einen Ruck, einen festen, harten Ruck, und schaute sie mit seinen dunklen Augen an.
    „Auf welcher Seite hat Ihr Bruder gekämpft?“, fragte sie langsam.
    Er machte einen ärgerlichen Laut. „Ich bin hier. Müssen Sie da fragen?“
    Sie schüttelte den Kopf.
    „Es fing alles an, weil die Ostindien-Kompanie Gewehrpatronen an die

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