Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
vor – Stahl, so hart wie in den Streben eines Dampfers, Stahl, so fest wie ein Maschinenkessel, in der Lage, der Hitze und dem Druck von eintausend Infernos standzuhalten. In solcher Stärke konnte sie Titus‘ wirkungslose Wut für immer wegsperren.
Sie tat das Gefühl von Olivers Kuss in die Kiste hinein und schloss sie fest, sodass ihm nichts geschehen konnte. Solange sie sich noch daran erinnern konnte, wie er sich anfühlte, war sie nicht allein. Er hatte es gesagt, und sie glaubte es.
Sie hob den Kopf und blickte ihrem Onkel in die Augen. Ihre größte Angst war wahrgeworden, aber … das bedeutete Freiheit, keine Katastrophe. Sie musste nicht länger etwas vortäuschen. Niemandem gegenüber. Sie barg Olivers Kuss dicht an sich, bis ihre Hände nicht länger zitterten. Bis sie ruhig genug war, um ohne Krächzen zu sprechen.
„Nein“, sagte sie leise, „das wird nicht geschehen.“
Er starrte sie verwirrt an. „Du kannst sagen, was du willst, aber du hast keine gesetzliche Handhabe.“
„Nein“, wiederholte Jane. „Sie irren. Sie sind Emilys Vormund, aber nicht meiner. Sie haben keine Kontrolle über das, was ich tue.“
Er schaute sie von oben herab an. „Sprich bitte nicht in Rätseln, ich habe keine Ahnung, worauf du hinaus willst.“
Er konnte nicht gewinnen. Warum hatte sie das vorher nicht begriffen? Sie war zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich in den Schatten zu verstecken, dass sie ihre besten Waffen ohne Not gestreckt hatte.
„Ich muss nicht zu unserer Tante gehen und bei ihr leben“, erklärte Jane. „Ich habe Geld. Ich kann alles tun, was ich will. Das haben Sie nicht gemerkt, weil es immer mein einziger Wunsch war, dass es meiner Schwester gut geht und sie glücklich ist. Sie sind so darauf fixiert, mich für ungehorsam und aufsässig zu halten, dass Sie gar nicht erkannt haben, dass ich mich bemüht habe, mich Ihren Anweisungen zu fügen. Stellen Sie sich vor, was ich tun könnte, wenn ich Schwierigkeiten machen will.“
Er schüttelte den Kopf. „Das verstehe ich nicht.“
„Wenn ich wollte, könnte ich ein Haus gleich nebenan kaufen. Ich könnte dort offen mit mehreren Liebhabern leben. Ich könnte Anzeigen in der Zeitung kaufen und darin schreiben, Sie litten an einer Hirnerkrankung.“
Während sie sprach, wurde er ganz blass. „Das würdest du nicht tun.“
Sie beugte sich vor. „Ich könnte allen, die ich treffe, von Ihren widerwärtigen medizinischen Praktiken erzählen. Ich würde allen mitteilen, was für ein schlechter Vormund Sie sind. Ich könnte Ihnen das Leben zur Hölle machen. Das ist, wer ich bin, falls Sie es noch nicht wissen. Ich bin unmöglich, und Sie können mich nicht loswerden. Nicht mit Drohungen. Nicht mit Worten. Und das sind meine Bedingungen.“
Er starrte sie in stummer Verblüffung an, als hätte sie sich plötzlich in einen Bären verwandelt, und er wusste nicht, ob er schreiend weglaufen oder rennen und ein Gewehr holen sollte. „Ich werde dich nicht im meinem Hause dulden.“
„Dann wird es in der Zeitung stehen“, erklärte sie mit einem Achselzucken. „Und …“
„Aber du darfst zu Besuch kommen“, krächzte er. „Einmal im Monat?“
Sie hielt inne und schaute ihn an. Er rang sich ein schwaches Lächeln ab.
„Ich kann dich nicht aus Cambridge vertreiben“, sagte er und schaute auf seinen Schreibtisch hinunter, „aber ich kann entscheiden, wer Emily besuchen darf.“
Wenn Jane ein Haus in Cambridge kaufte, würde das das Ende aller Freiheit für Emily bedeuten. Ihr Onkel würde sie in dem Versuch, sie voneinander fernzuhalten, noch genauer überwachen. Und – so erkannte Jane – sie konnte ihre Drohungen nicht wirklich wahr machen. Wenn sie das täte, würde sie nichts mehr gegen ihn in der Hand haben. Selbst Titus konnte gefährlich werden, wenn er nichts mehr zu verlieren hatte.
Wenigstens ließ er sich jetzt auf Verhandlungen mit ihr ein.
„Du wirst zu meiner Schwester gehen“, erklärte Titus. „Du wirst tun, was sie sagt. Du wirst keine Szene oder Theater machen. Weißt du, Jane, mir liegt an deinem Wohlergehen, auch wenn dir das egal ist. Ich möchte, dass du auf deinen Ruf achtest, statt ihn in dem verzweifelten Versuch, deine Schwester auf deine Abwege zu bringen, wegzuwerfen.“
„Meine Abwege.“ Ihre Wangen brannten. „Soviel Sie auch immer davon reden, Sie wissen nichts von meinem Weg. Sie haben nie versucht, mir zu helfen. Sie haben immer nur Befehle gegeben.“
Er winkte ab. „Erspar mir
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