Die Erbin und ihr geliebter Verraeter
gezwungen, sich unvernünftig aufzuführen. Es ist albern, zu sagen, dass du Schuld hast, wenn er derjenige ist, der Forderungen stellt.“
Emily stieß den angehaltenen Atem aus. „Ich werde versuchen, gut zu sein“, erklärte sie schließlich. „Ihn mit Vernunft zu erreichen.“ Sie lachte. „Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das geht.“
„Ich werde zu Besuch kommen“, sagte Jane. „Ich habe ihm Zugeständnisse abgerungen. Wir werden uns weiterhin sehen. Ich werde dir Geld zustecken können, dass du welches hast, falls du es je brauchst, um selbst Ärzte zu bestechen. Du hast etwas mehr als ein Jahr, bis er nicht länger dein Vormund ist. Sobald du einundzwanzig bist, kann er nichts mehr tun, um dich hier zu halten.“
„Ich weiß“, erklärte Emily. „Ich hab dich lieb, Jane, aber …“ Sie schluckte. „Mach dir meinetwegen keine Sorgen. Ich werde schon allein zurechtkommen.“
Jane strich ihrer Schwester übers Haar. „Wer weiß? Vielleicht bessert sich Titus ja.“
Emily lachte. „Vielleicht. Und vielleicht wird er … aber nein. Ich mache mich nicht über ihn lustig.“
„Auf meinem Schreibtisch steht eine Pflanze“, sagte Jane. „Ein Kaktus. Ich möchte, dass du ihn behältst, wenn ich nicht mehr hier bin. Damit du etwas von mir hast.“
„Oh Gott, Jane. Ich vergesse doch immer, Blumen zu gießen. Ich werde ihn umbringen.“
„Vergiss bitte, diesen Kaktus zu gießen.“ Jane lächelte. „Das sollst du sogar.“
Ihre Schwester nickte und kuschelte sich an sie.
„War er es wert?“, fragte Jane. „Dieser Mann, mit dem du dich getroffen hast. War er es wert?“
Emily hielt inne. „Er wird Anwalt. Er hat mich gebeten, ihn zu heiraten, aber ich habe ihm meine Antwort darauf noch nicht gegeben. Ich habe auf eine Art Zeichen gewartet. Und jetzt ist das mit Titus passiert.“
„Titus ist nie für etwas anderes ein Zeichen als für Titus“, erklärte Jane. „Liebt dein Anwalt dich?“
Emily schwieg noch etwas länger, bevor sie antwortete. „Ich weiß es nicht“, sagte sie schließlich. „Es fällt mir schwer, ihn zu deuten. Er sagt, dass ich hübsch sei.“
„Das würde jeder sagen, Dummerchen. Das bist du. Aber er hat sich heimlich mit dir getroffen. Das will mir nicht gefallen. Ist er ein Frauenheld?“
„Er ist das absolute Gegenteil davon. Ich habe dir ja schon gesagt, er ist sanft. Nur ganz selten ist er das nicht. Wenn er verärgert ist, spricht er ohne Umschweife aus, was er denkt.“
„Hat dieser Nicht-Frauenheld einen Namen?“
Sie fühlte, wie ihre Schwester sich neben ihr unerklärlich verspannte. „Ja.“
War es jemand, den Jane kannte? Jemand, den sie erwähnt hatte. Nicht der Marquis of Bradenton , betete sie stumm. Lass es nicht ihn sein. Aber sie fragte nicht. Sie drängte sie nicht. Sie wartete einfach. Und nach ungefähr einer halben Minute fuhr Emily fort.
„Er heißt Anjan“, sagte Emily. „Anjan Bhattacharya.“
Jane riss überrascht die Augen auf. Es gab zahllose Antworten, die sie darauf geben konnte. Sie ging sie alle im Geiste durch, entschied sich schließlich für eine.
„Erzähl es mir“, bat sie schläfrig. „Erzähl mir von ihm. Spricht er deinen Namen so aus, wie du seinen?“
Ihre Schwester dachte darüber nach. „Er hat mir einmal gesagt, mein Vormund solle mich wie eine Kostbarkeit behandeln. Aber das hat ja selbst Mama nicht getan, und Papa auch nicht. Titus ist dem seltsamerweise noch am nächsten gekommen, und er, nun …“ Sie seufzte und drehte sich im Bett um. „Damit bleibst nur du übrig, Jane. Du bist die Einzige, die in mir etwas Wertvolles gesehen hat.“
Jane nahm ihre Schwester in die Arme und drückte sie fest. „Natürlich, Emily. Das tue ich natürlich.“
„Und wen hattest du?“
Janes Kehle wurde eng. Emily hatte das nie zuvor gefragt. Sie war immer die jüngere Schwester gewesen, hatte nie daran gedacht, dass auch Jane jemanden brauchen könnte. Jane schüttelte benommen den Kopf.
„Und jetzt gehst du.“ Emilys Stimme klang rau. „Versprich mir, dass du auf dich selbst so gut aufpasst, wie du das bei mir getan hast. Versprich mir das. Dann wird es mir gelingen, mich um mich selbst zu kümmern.“
„Emily.“
Aber ihre kleine Schwester küsste ihre Fingerspitzen und legte sie dann auf Janes Stirn. „Versprich es. Versprich mir, dass du es tun wirst.“
Jane umfing Emilys Hand mit ihrer. „Versprochen“, flüsterte sie.
Kapitel 16
A NJAN B HATTACHARYA HATTE nicht gewusst, wie
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