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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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tanzen kann. Der vielleicht gar nichts anderes kann, als auf ein Gaspedal zu treten und tollkühn über eine Rennpiste zu jagen. – Mach keine Dummheiten, hörst du?« Sie steckte den Spiegel hastig in die Abendtasche und lehnte sich zurück. Die linke Tür öffnete sich. Jérome Marcel glitt auf den Sitz und rieb sich die Hände.
    »Gelungen!« sagte er mit fröhlicher Jungenstimme. »Das hat keiner mitbekommen! Mademoiselle, das haben Sie hervorragend gespielt. Sie haben diese ausgebufften Reporter an der Nase herumgeführt! Jeder glaubt, Sie sind auf Ihrer Suite.« Er umfaßte das Lenkrad und drehte den Schlüssel auf Zündung. »Wohin darf ich Sie bringen? Wo verbergen sich die feinen Leute? Ich habe darin so gar keine Erfahrung.«
    »Wo möchten Sie hin, Jérome?«
    »Ich? Ehrlich?«
    »Ganz ehrlich.«
    »Ins Bett! Ich bin hundemüde.«
    »Pfui!«
    »Erst das Rennen, dann die Interviews, dann der Empfang beim Fürsten, anschließend der Ball, und dann noch das Tanzen … ich kippe aus den Schuhen. Aber das heißt nicht, daß ich an der frischen Luft nicht wieder munter werde. Jeder Motor hat Kraftreserven, da muß man nur die richtige Drehzahl kennen.«
    »Sie denken wohl nur in PS, Jérome?«
    »Ich verspreche Ihnen, ab sofort nur noch an Sie zu denken, Lyda.«
    »Sagen Sie das noch einmal!«
    »Ich verspreche Ihnen …«
    »Nein! Meinen Namen!«
    »Lyda …«
    »Noch einmal. Bitte!«
    »L-y-d-a …«
    Sie schloß die Augen und atmete tief. »Das war schön«, sagte sie leise. »Sehr schön!«
    »Das verstehe ich nicht.« Er starrte sie an. Sie lag in den Polstern und wirkte so klein, kindlich, zerbrechlich. Er war versucht, sie aufzurichten, ihr über das Gesicht zu streicheln, zu fragen: Wo tut's denn weh?
    »Ich bin gewöhnt, daß man meinen Namen immer mit besonderer Betonung ausspricht. Ob meine Lehrerinnen oder Lehrer, die Bekannten meines Vaters, die Bekannten meiner Mutter, die Geliebten meines Vaters, oder seine neue Frau, oder die Männer, die sich um mich bemühen, oder die Freundinnen, die ihren Neid und ihre Mißgunst in Gesäusel verstecken, die Angestellten und die Gäste, jeder, überhaupt jeder hat einen bestimmten Ton in der Stimme, wenn er mich anredet. Nur Sie nicht, Jérome. Sie sprechen ›Lyda‹ wie jedes andere Wort aus.«
    »Vielleicht bin ich zu müde …«
    »Warum wollten Sie dann mit mir wegfahren?«
    »Ich will? Das ist ein Irrtum? Sie haben den Vorschlag gemacht!«
    »Warum haben Sie zugestimmt?«
    »Weil ich ab und zu – aber das ist selten – ein höflicher Mensch bin. Heute habe ich meine sanfte Tour.« Marcel gähnte tatsächlich. »Pardon! Müdigkeit macht mich milde.«
    Fast lautlos glitt der Rolls-Royce durch die Ausfahrt hinaus auf die Straße. Gegenüber erhob sich, von Scheinwerfern angestrahlt, der Kuppelbau des Kasinos. Marcel umkreiste den länglichen, mit Rasen und Blumenrabatten geschmückten Vorplatz und entschloß sich, in Richtung Cap Martin zu fahren. Sobald sie das Gebiet von Monaco verlassen hatten, ließ der Verkehr nach; nur noch vereinzelt begegneten ihnen Autos, und als sie zum Meer abbogen, kam ihnen kein Scheinwerfer mehr entgegen. Über eine schmale Straße, die hinunter zu einer Bucht führte und bestimmt nicht für einen Rolls-Royce angelegt worden war, rumpelten sie durch die Nacht. Obwohl ein Rolls die beste Federung der Welt haben soll und obwohl man behauptet, daß bei einer Geschwindigkeit von 100 Stundenkilometern ein volles Wasserglas, auf das ausklappbare Tablett der Hintersitze gestellt, nicht überschwappen darf – auf diesem steinigen Weg erzitterte auch die Karosserie eines 150.000 - Mark-Wagens. Unten, an der Spitze des Cap Martin, drehten sich die Strahlfinger des Leuchtturms. Marcel bremste und stellte den Motor ab.
    »Was ist?« fragte Lyda.
    »Ich möchte dem vornehmen Herrn Rolls nicht auch noch zumuten, diesen Pfad bis zum Meer zurückzulegen. Auch Herr Rolls hat nur eine Ölwanne, und die könnte mit Leichtigkeit aufgeschlagen werden.« Er beugte sich zur Scheibe vor. Ein romantischer Himmel, wie gewünscht, sternenklar, samtweich. Ein Meer, das im Mondschein widerleuchtete. Versilberte Felsen und ein Stück Strand wie aus einem Bilderbuch. Dazwischen Zypressen, Pinien und ein paar windzerzauste Palmen.
    »Wollen wir zu Fuß weiter?«
    »Klettern?«
    »Das nicht. Der Weg ist nur steil …«
    »Mit meinen hohen Absätzen? Im Abendkleid! Und Sie im Smoking?«
    »Steigen wir erst mal aus.« Er öffnete die Tür, lief um den Wagen

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