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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Blitzlichter flammten auf.
    »Flüchten wir vor den Hyänen!« sagte er. »Wie wär's mit dem Wintergarten?«
    »Der ist jetzt auch überfüllt.« Sie blickte zu ihm hoch wie ein Kind, das einen ganz großen Wunsch auf dem Herzen hat. »Können Sie nur Rennwagen fahren?«
    Marcel lächelte breit. »Wenn man mir sagt, wo bei einem anderen Wagen Gas und Bremse liegen, könnte es gelingen …«
    »Das war eine dumme Frage, nicht wahr? Ich habe einen Rolls-Royce.«
    »Bekannt!«
    »Den nehmen wir uns und fahren einfach weg. Irgendwohin. Was halten Sie davon?«
    Marcel zögerte. Die Sache begann, ungeahnte und nicht gewollte Formen anzunehmen. Es war gar keine Frage, daß man Lydas und sein Verschwinden bemerken würde, und dann hätten die wildesten Gerüchte freie Bahn. Die Sensationspresse würde sich auf diesen einmaligen Stoff stürzen: Das reichste Mädchen der Welt und der Rennfahrer! Eine Liebesstory wie im Märchen. Von der Piste auf alle Meere! Heiratet Lyda einen Rennfahrer? Verliert der internationale Rennsport Jérome Marcel an eine Reederei? Ein blendendes Paar: der Furchtlose und die Dollarprinzessin …
    »Man wird sich die Mäuler zerreißen, Mademoiselle«, sagte Marcel.
    »Worüber? Weil wir keine Lust haben, in diesem schwitzenden Affenkäfig auszuhalten, und die frische Luft vorziehen? Das steht doch wohl jedem frei.«
    »Wir sind aber kein ›Jeder‹. Man wird sofort etwas in uns hineininterpretieren.«
    »Ach! Und was?« Sie sah ihn trotzig an.
    »Eine Liebesaffäre zum Beispiel …«
    »Aber das ist doch Blödsinn!«
    »Natürlich ist das Blödsinn!« Er verspürte plötzlich einen leichten Schmerz. Blödsinn ist das also in ihren Augen, dachte er. So abwegig erscheint es ihr also, daß sie sich in mich verlieben könnte. Fortfahren, irgendwohin, vielleicht ans Meer, an ein romantisches Plätzchen, an einen winzigen Strand in der Felsenküste, wo man ganz allein ist. Sternenhimmel und Mond über sich – Wellenrauschen, der Geruch von Seetang, auf den Lippen das Salz, das mit dem Gischt in winzigen Tröpfchen herübersprüht. Wie eingebettet in unnennbare Sehnsüchte fühlt man sich dann und möchte so ganz anders sein, als man ist … Das alles nennt sie Blödsinn?! Lyda Penopoulos, was wollen Sie eigentlich?
    »Ich habe den zweiten Schlüssel zum Rolls«, sagte sie. Auch im riesigen Foyer des Hotels drängten sich die Menschen. Uniformierte Kellner servierten auf großen Tabletts Cocktails und Champagner. »Aber wenn Sie Angst haben …«
    »Das hätten Sie nicht sagen dürfen, Mademoiselle. Da treffen Sie bei mir ins Schwarze.« Marcel breitete die Arme aus. »Wo wollen Sie hin? Ich fahre Sie um die ganze Welt!«
    »Es genügt, wenn wir einen Platz finden, wo uns keiner kennt.«
    »Das dürfte schwierig sein!« Marcel sah sich um. Überall lauerten die Reporter mit ihren Kameras. Es war offenkundig: Sie witterten eine Sensation.
    »Trennen wir uns«, schlug er vor. »Schleichen wir uns einzeln hinaus. Sie zuerst; ich folge in fünf Minuten. Wo steht der Rolls?«
    »Auf dem Privatparkplatz des Hotels. Sie kennen ihn?«
    »Ja. Reserviert für kleine Götter.«
    »Das war nicht fein, Monsieur!«
    »Pardon.«
    Sie nickte, hielt ihm die Hand hin, er küßte sie. Alles sah danach aus, als verabschiede sich Lyda Penopoulos vorzeitig und ziehe sich zurück. Die Reporter waren sichtbar enttäuscht. Keine neue Affäre, keine neuen Schlagzeilen. Sie gingen in den Festsaal zurück, um weitere Opfer zu suchen. Es gab noch genug zu beobachten, woraus sich eine kleine Klatschspalte fabrizieren ließ. Aber eben nur eine kleine …
    Lyda verließ das Hotel durch den Hintereingang, erreichte unbemerkt den privaten Parkplatz, schloß den Rolls-Royce auf und setzte sich auf den Beifahrersitz in das weiche Polster. Den Schlüssel steckte sie ins Zündschloß. Sie holte aus der Abendtasche einen kleinen Spiegel heraus und betrachtete sich im schwachen Licht der Wandlampe, die den Parkplatz erhellte. Sie leckte über ihre Fingerspitzen, strich mit den feuchten Kuppen über ihre Augenbrauen und tupfte etwas Wimperntusche aus den Augenwinkeln.
    »Mach keine Dummheiten«, sagte sie leise zu ihrem Spiegelbild. »Hörst du? Halt dich zurück! Du willst dich nur mit ihm unterhalten. Er soll erzählen, von sich und seinem Leben. Das wird dann endlich mal ein Abend ohne Langeweile sein. Ohne all das blöde, hohle Geschwätz, das ich mir täglich anhören muß. Er ist ein lieber, natürlicher Junge, der noch nicht einmal

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