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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wenn man die neuralgischen Punkte kannte, war es offenbar ein Vergnügen, in Kapstadt zu fahren. Nach drei abtastenden Läufen hatte Marcel den Ring im Griff und drehte zwei Tage vor dem großen Ereignis zum erstenmal seinen Wagen auf volle Touren. Auf Anhieb unterbot er den Rundenrekord seiner Kollegen, die bereits voll ausfuhren, und rollte als strahlender Held an die Box. Fernsehleute und Reporter stürzten sich auf ihn. Da das Fernsehen in Südafrika noch nicht angelaufen war, die Fernsehtürme jedoch schon standen und der technische Apparat voll funktionsfähig arbeitete, drehte man auf Konserve. Rundfunk und Zeitungen trugen Marcels Namen bis in den letzten Winkel des riesigen Landes. Jedermann wußte nun, daß es ein erbarmungsloses Duell geben würde zwischen dem Ersten in der Rangwertung, dem Kanadier John Priestley, und dem jungen, immer lächelnden Sonnyboy der Rennfahrer, dem Franzosen Jérome Marcel aus Paris.
    Mehrmals am Tag rief Marcel in Knysna an. Meistens saß dann sein Freund, der Architekt Jack Hyder, neben ihm, der ihn total verrückt nannte. Und stets meldete sich Dr. Vennebosch.
    »Was macht Lyda?« war Marcels erste Frage.
    Und Dr. Vennebosch antwortete jedesmal in seiner feinfühligen Art: »Was soll sie tun, Sie Hornochse? Sie liegt im Bett!« Oder: »Sie liegt auf der Veranda und sonnt sich!« Oder: »Sie geht im Garten spazieren.«
    Kam dann Lyda selbst ans Telefon, war ihre Stimme dünn, kindlich, erbärmlich.
    »Wie geht es dir, Liebling? Hier ist heute ein wundervoller Tag, aber Doktor Vennebosch sagt, das Wetter wird sich ändern. Gestern hatten wir eine ganz hohe Flut, das Meer kam fast bis ans Haus. Kannst du dir das vorstellen? So eine Flut ohne Sturm. Kaum ein Wind! Da sagte Doktor Vennebosch: Das Wetter wird sich schnell ändern.«
    Kein Wort vom Rennen, keine Erwähnung der brillanten Trainingsrunden, keine Frage, wie es ihm in Kapstadt gefällt, keine Klage über sein heimliches Abreisen. Dafür wurde Dr. Vennebosch deutlich, wenn er allein am Telefon war.
    »Sie sind jetzt hier bekannt wie ein bunter Hund!« sagte er grob. »Jede Zeitung, die man aufschlägt: Jérome Marcel. Im Rundfunk: Jérome Marcel. Da hört man die Motoren röhren und die Wagen vorbeifauchen, und da brüllen die Reporter: ›Da kommt Marcel aus der Kurve! In einem unwahrscheinlichen Finish biegt er in die Gerade von Start und Ziel … Er scheint zu fliegen … Ein neuer Rundenrekord! Ein Rekord der Superlative.‹ – Glauben Sie, das trägt zur Genesung Ihrer Frau bei?«
    »Lyda hört die Radioberichte?«
    »Sie sitzt jeden Tag vor dem Apparat! Verbieten kann ich es ihr nicht. Aber nach so einer Sendung muß ich ihr jedesmal eine Beruhigungsspritze geben. Monsieur Marcel, geht es nicht mit weniger Geschrei?«
    »Das mache nicht ich – das macht die Presse! Natürlich gebe ich mein Bestes auf der Piste …«
    »Eben!«
    »Soll ich bewußt unter meiner Form fahren? Was verlangen Sie da!«
    »Ihre Frau verfällt! Das müßten Sie sich mal ansehen. Ich bin in Ihr Haus gezogen, damit Sie es wissen. Ich kann Ihre Frau nicht mehr allein lassen! – Wie sind Ihre Pläne nach dem Rennen?«
    »Dann habe ich vier Wochen Ruhe. Ich wollte mit Lyda auf die Bahamas fahren und einmal richtig faulenzen. Das wird ihr auch guttun.«
    »Und anschließend?«
    »Rennen in Kanada.«
    »Dann geht also der ganze Mist von vorne los! Ich kann Ihretwegen nicht nach Kanada kommen!« Dr. Venneboschs Stimme klang sehr ernst. »Ich habe Ihre Frau jetzt lange genug beobachtet. Sie ist eine energische, selbstbewußte, kluge Person, die nur einen großen Fehler hat: Sie ist von Emotionen abhängig, und wenn sie liebt, wird sie unberechenbar. Monsieur Marcel, ob das auf die Dauer mit Ihnen gutgeht?«
    »Nur noch diese Saison, Doktor! Ich habe mich fest entschlossen, dann aufzuhören.«
    »Weiß das Ihre Frau?«
    »Nein. Ich fürchte, sie glaubt es mir nicht. Sie hält es für ein Hinhalten.«
    »Aber ich soll es Ihnen glauben?«
    »Ja. Bitte!«
    »Darf ich es Ihrer Frau sagen?«
    »Wenn sie Ihnen glaubt …«
    »Ich will's versuchen. Aber noch eins, Herr Rennfahrer: Der Teufel – und das bin ich – hole Sie, wenn Sie Ihr Wort brechen und nächstes Jahr doch wieder Rennen fahren! Wo Sie auch sind – ich hole Sie mir! Und wenn meine ganzen Ersparnisse draufgehen! Wie ist Ihre Antwort?«
    »Ich – ich höre auf!« sagte Marcel. »Ich liebe Lyda wirklich.«
    Jack Hyder, der das Gespräch mitangehört hatte, schlug die Beine übereinander,

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