Die Erbin
südafrikanische Staatsanwaltschaft angehörte, untersuchte bereits den zertrümmerten Wagen. Die Unglücksstelle war abgesperrt. Ein Schaumteppich verdeckte die Spuren der Katastrophe.
Noch während die Ärzte um das Leben Marcels rangen, indem sie sein Herz mit starken Injektionen zum Aushalten zwingen wollten und frischen Sauerstoff in seine Lungen pumpten, rief der Rundfunk die Bevölkerung auf, Haut zu spenden, wobei die Eiweißwerte von Marcels Haut immer wieder genannt wurden.
Endlich erhielt Rennleiter Bearns telefonisch die ersten Untersuchungsergebnisse von der Piste.
»Wie können Sie sich das erklären?« fragte der staatliche Kommissionär, der aus dem Fahrerlager anrief. »Die Radaufhängung des rechten Hinterrades ist gebrochen. Das war die Ursache.«
»Unmöglich!« Bearns wischte sich über die Augen. Aufhängung Hinterrad rechts … das gibt es nicht. Wir haben vor dem Start alles überprüft! Gerade auf dieses Gestänge waren wir besonders stolz. Es war ein speziell gehärteter Stahl, von dem man sagte, daß er sogar einem Schneidbrenner zu schaffen machen würde. Und dann ein Bruch? Bei normaler Kurvenbelastung? Undenkbar! »Das kann nicht sein!« stöhnte Bearns. »Vielleicht nach dem Unfall … durch den Aufprall …«
»Nein. Es ist beobachtet worden, daß Sekunden, bevor der Wagen ausbrach, sich das rechte Hinterrad löste und allein weiterraste. Wir fanden es auch fünfzig Meter von der Unglücksstelle entfernt. Ein glatter Bruch. Einwandfrei ein Materialfehler.«
»Damit gebe ich mich nicht zufrieden.« Bearns hatte sich wieder gefangen. »Diese simple Erklärung nehme ich nicht hin!«
»Wir auch nicht. Wir werden das Gestänge in das Metallurgische Institut der Universität bringen und dort untersuchen lassen.« Der Kommissionär räusperte sich. »Noch eine Frage: Ist Sabotage möglich?«
»Sabotage? Ich bitte Sie …«, stotterte Bearns. Gleichzeitig dachte er: Verdammt, warum denkt er das? Was weiß er von unseren Besorgnissen? Bisher hat man noch nie nachgewiesen, daß die Konkurrenz nicht nur auf der Piste, sondern auch in den Boxen und Werkstätten ausgetragen werden kann. Gewisse Entdeckungen, wie Wasser oder Zucker in den Benzintanks, oder Manipulationen an den elektrischen Anlagen, wurden meist vom Mantel des Schweigens verhüllt. Man verstärkte immerhin die Wagenwache und ließ die wertvollen, hochempfindlichen vierräderigen Raketen Tag und Nacht nicht aus den Augen. Auch in der Nacht vor dem Unglückstag hatten die besten Leute Wache geschoben: der Chefmechaniker, der Vergaserspezialist, ein Meister, und der in der letzten Zeit fast unentbehrlich gewordene Karel Cipek. Alles Männer, denen Bearns voll vertraute. Daß jemand heimlich an Marcels Wagen herumgearbeitet oder sogar die rechte Hinterrad-Aufhängung angefeilt haben könnte, hielt er für völlig ausgeschlossen.
»Der Wagen wurde immer streng von unseren Leuten bewacht!« sagte Bearns. »Da kann niemand was gedreht haben.«
»Aber die Befürchtung, daß so etwas passieren könnte, hat jeder, was?«
»Es ist noch kein Unglück durch Sabotage passiert! Rennfahrer untereinander sind nicht nur Kollegen, sondern auch Kameraden. Soll ich Ihnen den Unterschied erklären?«
»Ich begreife ihn auch so.« Der Kommissionär hüstelte etwas konsterniert. »Wie geht es Mister Marcel?«
»Ich weiß es nicht.« Bearns' Stimme zerfloß. »Mir sagt keiner etwas. Sie rennen nur herum mit verschlossenen Mienen. Wenn ich einen der Ärzte anhalte, heißt es immer: Wir arbeiten noch. Und das seit über sechs Stunden! Beide Bernards sind im Operationsraum.«
»Hoffentlich gewinnen sie den Kampf. Der Staatsanwalt ist schon auf dem Weg ins Krankenhaus. Wenn Mister Marcel wieder vernehmungsfähig ist …«
»Das ist wohl Ihre ganze Sorge?!« rief Bearns empört.
»Mister Marcel kann uns bestimmt sagen, welche Wahrnehmungen er kurz vor dem Ausbrechen seines Wagens gemacht hat. Er muß doch gemerkt haben, daß etwas nicht in Ordnung war. Oder kommt so ein Bruch plötzlich?« – »Ja!« schrie Bearns gequält. »Bei 270 Kilometer Geschwindigkeit ist eine Sekunde schon wie eine Ewigkeit! Das menschliche Gehirn denkt und reagiert träger …«
»Dann dürfen eben keine Rennen mehr gefahren werden! Dann müßte man das verbieten! Mein Gott, das ist ja programmierter Selbstmord! Wieso kommen die Fahrer dann überhaupt noch durch die Kurven?!«
»Das ist ja die Kunst! Das ist ja die ungeheure Begabung, sich diesen Geschwindigkeiten
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