Die Erbsünde
zustimmend. Es war ein typischer Defekt im Membrangebiet der Scheidewand, wenn er sich auch etwas tiefer als gewöhnlich in den Muskelteil neben der Trikuspidalklappe erstreckte.
»Kleiner Haken.«
Die Schwester reichte ihm das Instrument.
»Haben Sie keinen mit längerem Griff?«
»Nein, Herr Professor, das ist der einzige, den wir haben.«
Er presste unter der Maske die Lippen zusammen.
»Ziehen Sie ihn nach oben, Peter, damit ich den unteren Rand des Loches sehen kann.«
Blut strömte ins Herz und versperrte ihm die Sicht.
»Nicht so weit, Peter! Jetzt haben Sie die Schlagadernklappe undicht gemacht.«
Peter lockerte seinen Griff. Die Saugpumpe machte ein schlürfendes Geräusch, und das Blut verschwand.
»Aortenklammer.«
Deon wollte die Aorta gleich über der Klappe kreuzweise unterbinden. Das würde verhindern, daß das Blut durch die Klappe sickerte. Außerdem wurde dadurch der Blutstrom in die Kranzarterien aufgehalten. Das Herz konnte sich dann entspannen, den Schlag verlangsamen und schließlich ganz zu schlagen aufhören.
»Aortenklammer sitzt«, rief er.
Der Narkosearzt mußte nun notieren, wie lange das Herz jeweils ohne Sauerstoff war, und ihn alle fünf Minuten warnen. War das Herz zu lange ohne Sauerstoff, konnte das einen Muskelschaden bewirken.
Deon beobachtete, wie die Herzschläge sich allmählich verlangsamten. Sein geübtes Ohr würde automatisch aufmerken, wenn sich der Rhythmus verändern sollte, und ein Alarmsignal in seinem Gehirn auslösen.
Jetzt konnte er klar die Umgrenzung des Defekts erkennen. Er war zu groß, als daß man ihn einfach mit ein paar Nähten hätte schließen können. Er mußte einen Flicken aufsetzen.
Die Schwester legte einen Nadelhalter in seine ausgestreckte Hand. Mit der zweiten Nadel hielt sie das andere Fadenende fest, damit der Faden sich nicht verheddern konnte.
Drei Stiche durch den Rand der Trikuspidalklappe.
Piep … Piep … Piep … machte der Monitor.
Peter folgte jedem Stich mit einer kleinen Arterienklemme.
Vier Stiche in den Rand, der durch den Ring der Aortenklappe gebildet wird. Nicht den äußersten Rand mitfassen, sonst leckt die Klappe.
Piep … Piep … Piep …
Die Klammer saß jetzt sieben Minuten an der Aorta.
»Ziehen Sie doch nicht so wild am Haken … Sie«, fauchte Deon Carrere an. »Das hier ist ein Herz, kein Magen!«
Mit einem Ruck drehte er sich zu Martin. »So saugen Sie doch, Mann! Ich kann ja überhaupt nichts sehen durch all das Blut!«
Er nähte an der Muskelscheidewand am Trikuspidalring entlang. Bleib vom Rand weg. fass nur die halbe Wand. Bleib vom Nervenknoten weg.
Das Herz hörte auf zu schlagen. In seinem Gehirn schrillte eine unsichtbare Klingel. Er beugte sich über das Herz, das schlaff und leblos in der Brusthöhle lag.
»Lockern Sie den Haken«, schrie er den Franzosen an.
Lag es am Sauerstoffmangel, oder hatte er beim letzten Stich etwas verletzt?
Piep … machte der Monitor.
»War das ein weitergeleiteter Schlag, Tom?« fragte er flehend.
Der Narkosearzt schüttelte leicht den Kopf. »Weiß nicht, Deon. Die Pause zwischen der Vorhoftätigkeit und der Kammerantwort ist ziemlich lang. Ich kann es nicht sicher sagen.«
Deon starrte fassungslos auf das Herz, während ihm die Gedanken verzweifelt durch den Kopf schossen. Sollte er den letzten Stich entfernen? Die Aortenklammer abnehmen und das Herz wieder erwärmen? Oder sollte er einfach weitermachen?
»Kammerflimmern«, konstatierte Morton-Brown über die Trennwand hinweg.
»Sie kühlen zu stark«, fuhr Deon den Techniker an der Herz-Lungen-Maschine an, aber er wußte, daß das nicht der Grund war, denn seit mindestens zehn Minuten war kein Blut mehr durch den Herzmuskel geflossen.
Beruhige dich, sagte er sich. Der Stillstand ist durch Sauerstoffmangel verursacht worden. Du wirst sehen, es wird schon wieder. Oder nicht? Alles ist in Ordnung. Entspanne dich und arbeite ruhig weiter. Er nahm den Nadelhalter wieder zur Hand und fuhr fort zu nähen.
»Teflonfilz, bitte.« Und zum Narkosearzt gewendet: »Ich nehme jetzt die Aortenklammer ab.«
»Zwölf Minuten«, sagte Morton-Brown knapp.
Das Herz straffte sich. Das Flimmern wurde stärker. Deon schnitt einen Plastikflicken in der Größe und Form des Defekts zurecht, dann steckte er die Nadel abwechselnd durch den Flicken und das Scheidewandgewebe und fügte ihn genau auf die Lücke zwischen den beiden Kammern, sauber und fest, wie einen Flicken auf eine zerschlissene
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