Die Erbsünde
Wann kann jemand das Kind operieren?«
»Wenn wir hier fertig sind«, sagte Bennett kurz. Dann hob er die Hand und setzte eine gewichtige Miene auf. »Nein, warten Sie mal.« Offenbar wollte er den Professor beeindrucken. Seine Brillengläser funkelten im Licht auf. »Bill, machen Sie das?« Ohne Bills Zustimmung abzuwarten, fügte er hinzu: »Dann brauch' ich hier aber einen Assistenten. Schwester, wer hat Bereitschaftsdienst?«
Snyman räusperte sich höflich. »Warten Sie, Schwester.«
Sie erstarrte in ihrer Haltung augenscheinlicher Bereitwilligkeit.
»Ich werde selbst assistieren«, sagte Snyman zu Bennett.
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, Sir«, katzbuckelte der, »es ist aber wirklich nicht nötig. Wir können bestimmt schnell jemanden auftreiben. Aber wenn Sie gern möchten, ist es natürlich eine große Ehre für mich.«
»Gut«, sagte Snyman munter. Den Regeln der Etikette war Genüge getan, jetzt konnte man ans Werk gehen. Er entließ die Schwester mit einer lässigen Handbewegung und wandte sich wieder dem Patienten zu. »Wie steht's, Solly?«
Solly machte eine kleine Einstellung am Narkoseapparat und prüfte die Skala. »Ich bin soweit«, sagte er.
Snyman ging zur Tür. »Ich ziehe mich jetzt um«, rief er Bennett über die Schulter zu. »Machen Sie ihn schon auf? Einschnitt obere Mittellinie.«
»Sehr wohl«, erwiderte Bennett beflissen.
Wie ein Maschinengewehr schoß er nun seine Kommandos in die Runde, die meisten davon völlig überflüssig. Sie wurden entsprechend ignoriert. Die Schwestern begannen die leblose Gestalt auf der Bahre mit sterilen Tüchern abzudecken, und Deon verweilte kurz, um ihnen zuzusehen. In den letzten vier Monaten hatte er all das unzählige Male miterlebt, aber er fand es immer wieder aufregend. Ohne Hast und, wie es schien, ziellos glitten die Helfer durch den Operationssaal.
Der Patient lag jetzt auf dem Operationstisch. Die aseptische Zone wurde genau abgegrenzt und galt als verbotenes Gelände. Die Operationsschwester ordnete ihre Instrumente, eine andere schrieb etwas an eine Tafel.
Eine Hilfsschwester kam aus dem Waschraum; sie warf Deon einen vorwurfsvollen Blick zu. Durch die offene Tür konnte er Bennett beim Waschen sehen. Er würde sich also beeilen, sonst hätte der andere schon wieder Gelegenheit, eine seiner bissigen Bemerkungen loszuwerden. Er ging hinein, und die beiden bürsteten sich schweigend Hände und Unterarme ab. Bennett schloß den Hahn mit seinem Ellbogen. Eine Hilfsschwester stand bereit und goss Alkohol über seine Hände.
Deon widmete sich mit Sorgfalt seinen Fingernägeln, um Bennett Zeit zu geben, den Kittel überzuziehen, denn in dem kleinen Raum wollte er ihm möglichst nicht in die Quere kommen. Bennett streifte die Gummihandschuhe über. »Wollen Sie so freundlich sein, uns Bescheid zu geben, wenn Sie soweit sind?« sagte er mit spöttisch verzogenem Mund.
»Scher dich zum Teufel, du kleiner Kacker«, brummelte Deon in seine Maske.
Die Schwester, die ihm den Mantel mit einem Paar Zangen hinhielt, kicherte. Er wollte ihr zeigen, daß er sich nicht von Bennett einschüchtern ließ. Darum schleuderte er den Mantel übermütig durch die Luft, wobei er mit den Händen in die Armlöcher zielte. Sie schüttelte pikiert den Kopf, während sie ihm hinten die Bänder knotete und Deon sich die Hände puderte und die Gummihandschuhe anzog.
Sie streichelten seine Hände wie eine Liebkosung. Wie beim Anfang einer Romanze, dachte er, dasselbe Prickeln, dieselbe fiebrige Erwartung.
Er stopfte sich die Ärmel unter die Handschuhe und ging in den Operationssaal, sorgsam jede Berührung mit nichtsterilen Dingen vermeidend. Bennett und die Instrumentenschwester breiteten eben das Abdecktuch mit der quadratischen Öffnung über die mit Jodtinktur bestrichene Bauchfläche. Deon trat an den Tisch, die Schwester hob die Brauen, ein stummer Tadel wegen seiner Verspätung. Er erwiderte ihren Blick kalt und durchdringend, bis sie schließlich blinzelnd zur Seite sah.
Jetzt hatte er so richtig Oberwasser, denn es kam nicht oft vor, daß man eine Schwester mit einem Blick in die Schranken weisen konnte. Besonders Rita, die immer alles besser wußte und den jüngeren Chirurgen patzige Widerworte gab. Aber flink war sie, nicht wie Margaret, die schwerfällig und tapsig war wie ein Teddybär.
»Wir können anfangen, Solly«, sagte Bennett, streckte die Hand aus, und die Schwester legte das Skalpell hinein. Er hielt es einen Augenblick theatralisch in
Weitere Kostenlose Bücher