Die Erbsünde
nicht wegen der Party. Im grauen Licht der Frühe erschien ihm das alles hier sowieso sinnlos und eitel. Außerdem hatte er wenig Zeit, denn in wenigen Stunden begann für ihn der Dienst. Aber vorher mußte er das Mädchen finden. Das Geheimnisvolle und Unberechenbare, das sie umgab, hatte ihn aus der grauen Wirklichkeit des Krankenhauses herausgelockt.
Er kletterte, wie vorhin, den Hügel hinauf und ging an dem zaunlosen Tor vorbei ins Haus. Drinnen grölte die Musik, aber niemand tanzte mehr; auf dem Fußboden lagen verstreut die reglosen Körper der Schläfer, das harte Licht des Morgens ließ ihre Gesichter grau erscheinen. Er war maßlos enttäuscht und erleichtert zugleich, als er feststellte, daß Liz nicht mehr hier war.
Hamish Denton saß mit den eingefleischten Trinkern in der Küche. Sie begrüßten ihn mit lautem Hallo. Er wehrte ab, als man ihm ein Glas Wein hinhielt.
»Wo hast du dich denn die ganze Zeit herumgetrieben? Im Heu, möchte ich wetten!«
»Wer war die große Blonde? Liz heißt sie!« fragte Deon.
»Liz?« lallte Hamish beduselt. »Blonde?«
»Ja«, drängte Deon ungeduldig und stocknüchtern.
»Liz? Vielleicht Liz Richardson? Aber die ist heute gar nicht gekommen. Und blond ist sie auch nicht.« Er wippte auf dem Stuhl nach hinten, um ein Haar wäre er damit umgekippt. Plötzlich hellte sein Gesicht sich auf. »Ich weiß, wen du meinst. Liz Metcalfe. Flotter Käfer.« Er drehte sich nach einem jungen Mann um, der einen Balanceakt mit leeren Weinflaschen und -gläsern übte und sie zu schwindelnden Höhen auftürmte. »Peter, hast du Liz Metcalfe gesehen?«
Peter nickte nur, er mußte sich auf sein Flaschengebäude konzentrieren.
Hamish zwinkerte Deon vielsagend zu. »Also, du hast es gehört: Liz Metcalfe. Junge, die hat vielleicht Pfeffer in der Hose!«
»Ist sie noch hier?« fragte Deon.
Eine Flasche fiel herunter, aber Peter fing sie geschickt auf. »Nein«, sagte er desinteressiert, »wahrscheinlich pennt sie mit irgend jemand.«
Das tat weh. Er hätte nicht sagen können, warum, aber es hatte ihn getroffen. »Wie kann ich an sie herankommen? Wo arbeitet sie?«
»Arbeiten? Liz Metcalfe?« Hamish lachte. »Mach keine Witze.«
»Wo kann ich sie finden?«
Hamish begann die Fragerei zu langweilen. »Auf Parties. Wie diese hier«, er streifte seine Gäste mit einem liebevollen Blick. »Versoffene Faulenzerbande.«
Im Telefonbuch standen ein halbes Dutzend Metcalfes. Der letzte war ein Metcalfe, P. J. Constantia. Der Adresse nach konnte das der richtige sein. Er wählte die Nummer. Sofort meldete sich eine zugeknöpfte Männerstimme: »Hier bei Metcalfe.«
Bläh, bläh, dachte Deon. »Spreche ich mit Herrn Metcalfe?«
Eine kurze Pause, dann sagte die Stimme missbilligend: »Wünschen Sie Herrn Metcalfe zu sprechen?«
»Nein«, sagte Deon kleinlaut. »Ich suche eigentlich jemanden mit Namen Elizabeth Metcalfe«, erklärte er umständlich.
Wieder eine Pause. »Fräulein Elizabeth. Sie wollen also Fräulein Elizabeth sprechen?« kam die Stimme herablassend.
Fräulein Elizabeth. Gott nein, wie der angibt. Ob das der Butler ist? »Ich bitte darum.«
Deon hatte eigentlich ganz lässig sagen wollen: »Ist das Liz, die geheimnisvolle Fremde?«, aber die steife Männerstimme hatte ihn aus dem Konzept gebracht, und so sagte er jetzt schlicht: »Elizabeth?«
Ihre Stimme klang gelangweilt. »Ja, wer ist da?«
»Deon.«
»Wer?«
Jetzt war ihm der Wind völlig aus den Segeln genommen. »Deon. Ich … wir … gestern abend, wir haben uns auf Hamish Dentons Party kennen gelernt«, stammelte er.
»Ach so. Ja, natürlich.« Sie kicherte verhalten. Er faßte neuen Mut. »Du bist ausgerissen. Hast du's mit der Angst gekriegt?« fuhr er fort.
»Soll das eine Herausforderung sein?« konterte sie.
»Hm.«
»Hör mal, ich möchte dich gerne wieder sehen. Ich meine, wenn du willst.«
»Könnte vielleicht ganz lustig sein.« Sie klang jetzt entschieden weniger gelangweilt.
Er geriet ein wenig außer Atem. »Morgen abend?« sagte er hastig.
»Morgen geht's bei mir nicht. Freitag?«
»Verdammt! Ich habe dieses Wochenende Dienst. Freitagabend muß ich arbeiten. Wann würde es dir nächste Woche passen?«
»Weiß ich jetzt noch nicht. Ruf mich wieder an.«
Mit dieser nichts sagenden Floskel mußte er sich abspeisen lassen, und es dauerte zwei lange Wochen, bis eine Verabredung mit ihr zustande kam.
Diesmal plante er die Verführung umsichtig: Essen in einem eleganten Restaurant, ein
Weitere Kostenlose Bücher