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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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über der Stadt. Er sah zum Himmel auf, die Sterne blinkten schwach.
    Warum läßt du so etwas zu? fragte er – wen oder was, wußte er selbst nicht genau. Was für Ungeheuer läßt du auf dieser Erde herumlaufen?
    Wut schäumte, kochte in ihm hoch.
    Welche Strafe gab es für jemanden, der zu so etwas fähig war? Was für ein Vieh mußte das sein!
    Der Gynäkologe vom Dienst, ein junger Mann mit einem freundlichen, runden Gesicht und schüchternem Wesen, war sofort in den Infusionsraum gekommen und hatte das Kind zu einer Untersuchung unter Narkose mitgenommen. Deon hatte noch ein paar Infusionen geprüft, die nicht richtig liefen, und war ihm dann in den gynäkologischen Operationssaal gefolgt.
    Das Kind lag auf dem Operationstisch, die winzigen Beinchen hingen in Schlingen. Wenigstens hat sie für den Moment alle Qual vergessen, dachte Deon.
    »Vollständig zerrissen, wie zu erwarten war«, sagte der Gynäkologe, als er seine Untersuchung beendet hatte. »Die hintere Scheidenwand ist bis zum Mastdarm und hinauf zum Gebärmutterhals durchgerissen. Im hinteren Scheidengewölbe bis zur Bauchhöhle ist auch ein Riß, aber der ist durch den Dünndarm oder ein Stück Darmnetz abgedichtet. Das Ganze ist stark entzündet. Heute Abend kann ich das nicht mehr reparieren. Ich mache ihr einen künstlichen Darmausgang und lass' die Sache ein paar Wochen ruhen, bis die Entzündung abklingt.« Er zögerte. »Haben Sie schon die Polizei verständigt?«
    »Nein, ich dachte, Sie …«
    »Würden Sie es dann bitte tun? Und die nötigen Aussagen und dergleichen? Das habe ich von unserem Professor gelernt: Unterschreibe nie eine Zeugenaussage. Ich hab' schon zuviel Zeit in Gerichtssälen vergeudet.«
    »Aber Sie wollen doch sicher, daß dieses Schwein bestraft wird?« protestierte Deon heftig. »Es ist doch Ihre Pflicht, dafür zu sorgen!«
    Der Gynäkologe hatte ihn mit seinem freundlichen, um Entschuldigung bittenden Ausdruck angesehen. »Pflicht? Meine Pflicht ist es, dem Kind zu helfen. Es gibt genug andere, die ihre Pflicht darin sehen, Gerechtigkeit walten zu lassen – oder Rache zu suchen. Wer weiß? Mich geht es jedenfalls nichts an.« Und er hatte sich umgedreht und war still gegangen.
    Nein, dachte Deon mit inbrünstiger Überzeugung, als er zu den fernen Sternen aufsah, es muß Ordnung, Gerechtigkeit und Vergeltung geben, sonst würden wir alle herumstreunen wie wilde Tiere.
    Er mußte mit jemandem darüber sprechen. Philip? Ja, der würde ihn verstehen.
    Es war drei Uhr. Um diese Zeit war das Krankenhaus sehr still. Hinter einer Tür hörte er im Vorbeigehen einen Patienten laut stöhnen. Im Korridor begegnete ihm eine Schwester, sie schwebte wie ein fahles Nachtgespenst vorbei.
    Philip war im Arztzimmer in C5. Deon warf sich in einen Sessel ihm gegenüber. »Bist du fertig?«
    »Ja. Tut mir leid, daß ich dich von deiner Party wegholen mußte.«
    »Schon gut.«
    Philip betrachtete ihn aufmerksam. »Was gibt's?«
    »Herrgott, Philip, ich habe heute Abend etwas Grauenvolles erlebt.«
    Philip runzelte leicht die Stirn. Er hörte sich Deons Bericht an, ohne mit der Wimper zu zucken.
    »Diese Bestie, wenn sie die erwischen, man müßte ihr den Penis am Ansatz abhacken«, schloß Deon und machte die entsprechende Handbewegung.
    Philip verzog die Mundwinkel nach unten. »Wenn du im Distrikt sechs aufgewachsen wärst wie ich, dann könnte dich so was nicht mehr aus der Fassung bringen. Wenn die Menschen nichts anderes haben als nur Saufen, Essen und Huren, dann schläft der Vater eben mit der Tochter und der Sohn mit der Mutter. Dein Fall von heute Abend ist da noch nicht mal der schlimmste.«
    Er sprach mit ruhiger Stimme, weder zornig noch angewidert, weder anklagend noch verteidigend. »Mach nicht allein den Mann, den du kastrieren willst, für so eine Tat verantwortlich. Gib den Verhältnissen die Schuld, in denen er aufgewachsen ist und jetzt lebt!« fuhr er fort.
    »Ein Schwein im Stall würde so was nicht über sich bringen«, ereiferte sich Deon. »Es gibt keine Entschuldigung für so eine Vergewaltigung!«
    Philip sah ihn mit einem langen, nachdenklichen Blick an. Er schien zu sagen: Schimpf nur, mach deiner Empörung Luft, aber wenn du ein Urteil fällst, vergiß dein menschliches Mitgefühl nicht.

7
    Es war fast sechs Uhr morgens, als er in der Hout-Bucht ankam. Vor Hamishs Haus standen nur noch einzelne Autos. Es war inzwischen still geworden.
    Deon hatte eigentlich gar nicht zurückkommen wollen, jedenfalls

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