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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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Mutter hatte das kleine rosafarbene Gewächs zum ersten Mal vor drei Monaten entdeckt, als sie Mary-Jane badete.
    Sie hatte das Kind ausgezogen, und dann wollte Mary-Jane ihre Puppe mit ins Bad nehmen und begann, sie ebenfalls auszuziehen. Die Mutter hatte mit liebevoller Geduld zugesehen und noch gedacht: Das wird mal eine richtige Eva.
    Und dann sah sie es. Wie eine kleine Traube trat es aus der Scheide hervor. Sie beugte sich hinunter, um es genauer anzusehen. »Was ist das, Liebes? Hast du dir da weh getan?«
    »Nein«, sagte das Kind und zerrte unwillig an den großen Knöpfen des Puppenkleidchens. »Ich weiß nicht.«
    Die Frau sprach noch am selben Abend mit ihrem Mann und überredete ihn, das Kind selbst zu untersuchen, was nicht einfach war, denn er war ein scheuer, schamhafter Mensch.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, woher es kommt, Jack«, sagte sie besorgt und sah ihm ängstlich ins Gesicht. »Kleine Mädchen stecken sich manchmal etwas … da rein.«
    Er zog dem schläfrigen Kind die Decke über die Schultern. »Das könnte es sein.«
    »Ich weiß nicht, ich glaube, das beste wäre, morgen mit ihr zum Arzt zu fahren.«
    Er steckte sich hastig eine Zigarette an. »Wir sind doch noch beim Rohrschneiden. Können wir nicht bis übermorgen damit warten?«
    Nach kurzem Überlegen schüttelte die Frau bestimmt den Kopf. »Ich möchte lieber morgen schon fahren. Ich kann ja den Kombiwagen nehmen, wenn du ihn nicht brauchst.«
    Er inhalierte tief und blinzelte in den sich kräuselnden Rauch. Seine schmalen Schultern waren leicht gebeugt. Er verbreitete ständig mühsam beherrschte Hektik um sich. Sie waren nun schon fünf Jahre verheiratet, aber manchmal meinte sie, ihn gar nicht zu kennen. »Die Burschen können allein weitermachen«, entschied er plötzlich, »ich fahre morgen mit euch in die Stadt.«
    Mary-Jane war inzwischen eingeschlafen. Jack Fowler betrachtete sie einen Augenblick lang ausdruckslos, dann wandte er sich jäh ab und ging aus dem Zimmer.
    Der Arzt in Eshowe hatte auch eine dreijährige Tochter. Er war ein empfindsamer, gutmütiger Mann, den selbst seine langjährige Tätigkeit als praktischer Arzt nicht zum Zyniker hatte machen können.
    Nach der Untersuchung zupfte er an seinem kurzen, gepflegten Bart und hoffte, den Eindruck zu erwecken, als sei alles soweit in Ordnung. »Sie können sie wieder anziehen, Mrs. Fowler«, sagte er und öffnete die Tür zum Wartezimmer. »Wollen Sie bitte eintreten, Mr. Fowler?«
    Der Arzt war sich voller Unbehagen bewußt, daß die Eltern ihn gespannt ansahen. »Es ist sicher nichts Ernstes«, sagte er mit einem vagen, nichts sagenden Lächeln. »Mary-Jane, sag der Schwester, sie soll dir ein Bonbon geben.« Er machte die Tür hinter dem Kind zu.
    »Was fehlt ihr?« fragte der Mann. Seine Stimme war ruhig, fast ein wenig abweisend. Aber hinter seiner gelassenen Fassade verbargen sich Ärger und die nackte Angst.
    »Jack.« Seine Frau legte sanft tadelnd die Hand auf seinen Arm. Er schüttelte sie ab, nicht grob, aber bestimmt.
    »Ich gebe Ihnen eine Überweisung an den Gynäkologen«, sagte der Arzt zur Mutter. Sie war bleich und erregt, aber er sprach lieber mit ihr als mit dem Vater, der überhaupt keine Gefühle zeigte. »Ich glaube, das ist das klügste, Mrs. Fowler. Ich habe einen Freund in Durban und will ihn gleich anrufen, um einen Termin auszumachen.«
    »Was fehlt dem Kind?« fragte der Vater wieder, direkt und tonlos.
    Der Arzt zupfte sich am Bart. »Ich glaube, es ist nur ein Urethralkarbunkel, aber wir wollen es lieber genau feststellen lassen, und darum schicke ich Sie mit Mary-Anne zu diesem Spezialisten.«
    »Mary-Jane«, berichtigte die Mutter ihn schnell und runzelte die Stirn.
    »Natürlich, Mary-Jane. Verzeihung.« Er sah verlegen in seine Unterlagen, als habe er einen schweren Irrtum begangen.
    »Man wird sie untersuchen, eine Biopsie machen und so weiter, damit wir ganz sicher sein dürfen, und wenn alles gut geht …« Er breitete lächelnd die Arme aus.
    Als sie gegangen waren, machte er sich noch ein paar Notizen, dann blieb er reglos an seinem Schreibtisch sitzen und starrte auf den Kugelschreiber in seiner Hand, als sei er ein Gegenstand von tiefster Bedeutung.
    Um die Frau mache ich mir keine Sorgen, dachte er, die ist zäher, als sie es vermuten läßt. Aber der Vater … ich weiß nicht. Den Blick habe ich schon mal gesehen …
    Es war also kein Zweifel mehr möglich. Eine bösartige Geschwulst in der Vagina, auch

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