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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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Ich bin nicht völlig blind, weißt du!«
    Sie kamen zu einer Mauerlücke. Stufen führten zu dem windgepeitschten Strand unter ihnen. Die Wellen brachen sich dröhnend und tosten weißschäumend um die schroffen Klippen. Sie blieben stehen und sahen übers Meer. Deon erinnerte sich an einen anderen Strand und eine andere Zeit; damals hatten sie die Schuhe ausgezogen und waren durchs eiskalte Wasser geplanscht. Nein, sie war ein herrliches Geschöpf, und er würde sie nicht kampflos aufgeben.
    »Liz, bitte glaube mir doch: ich liebe dich.« Sie drehte sich ihm zu und sah ihn offen an. Der Wind blies ihr von hinten die Haare ums Gesicht. »Begreifst du denn nicht? Es hat keinen Sinn!«
    »Ich liebe dich«, wiederholte er störrisch, als seien die drei Worte genug, um alles wieder ins Lot zu bringen: eine Beschwörungsformel, die ihn vor der plötzlich so ungewissen, Unheil bringenden Zukunft retten sollte.
    Die Rücklichter des kleinen roten Autos verschwanden um die Ecke des Krankenhausgebäudes. Deon horchte auf das leiser werdende Motorengeräusch, bis es vom Lärm des Verkehrs verschluckt wurde.
    Elizabeth war fort.
    Er stand verloren an der dunklen, zugigen Ecke, wo sie ihn verlassen hatte, und überließ sich seinem Schmerz. Sie war ohne ein liebes Wort, ohne Abschiedskuss von ihm gegangen.
    Und irgendwie war er überzeugt, daß sie ihm nicht für immer verloren war.
    Der Wind pfiff heulend um die Ecke. Fröstelnd ging er in den warmen, hellerleuchteten Ärztebungalow. Im Gemeinschaftsraum war niemand mehr, aber das Feuer brannte noch im Kamin, und auf dem Teppich lag ein aufgeschlagenes Buch. Deon graute davor, allein sein zu müssen.
    Vom Gang näherten sich schnelle Schritte. Es war Philip, der händereibend hereinkam.
    »Hallo«, sagte Deon, »Hundekälte heute Abend, was?«
    »Eisig.« Philip hockte sich vors Feuer und wärmte sich die Hände. »Bist du allein hier?«
    »Ja. Ich weiß nicht, wo die anderen alle sind. Ich bin selbst eben erst reingekommen.«
    »Schade. Ich bin nämlich auf der Suche nach einem freiwilligen Opfer«, sagte Philip.
    »Wofür?«
    Zu Deons großem Staunen ahmte Philip Robbys Drakula-Pose nach. »Blut!« sagte er mit gebleckten Zähnen. »Ich will Blut!«
    Deon hatte ihn noch nie so aufgeräumt gesehen. »Blut? Um diese Tageszeit? Was hast du denn vor?«
    Philip hatte dem Feuer den Rücken zugedreht und wippte federnd auf den Fußballen, als könne er nicht stillstehen. Sein Gesicht glühte vor Erregung. »Mensch, stell dir vor, ich hab' endlich die Methode raus!«
    »Methode? Ich weiß überhaupt nicht, wovon du sprichst.«
    Philip lächelte ihn ungläubig an. »Du weißt doch – die neue Methode zur wissenschaftlichen Untersuchung der Chromosomen! Daran hab' ich doch die ganze Zeit gearbeitet!«
    »Herrgott noch mal! Chromosomen! Du erwartest doch wohl nicht, daß ich mich jetzt für deine Chromosomen begeistere!«
    Philip zuckte beleidigt die Achseln und hielt die Hände wieder ans Feuer. »Für mich ist es von größter Bedeutung.«
    Er wirkte niedergeschlagen, und Deon sagte reumütig: »Du sagtest, du suchst einen Blutspender. Kannst du mich brauchen?«
    Philip strahlte wieder. »Würdest du das für mich tun?«
    »Aber gern. Es ist ja alles im Dienste der Wissenschaft.«
    »Genau. Welche Blutgruppe hast du?«
    »Null.«
    »Großartig. Meine ist auch Null, und ich brauche zum Vergleich noch weitere Beispiele. Die Karyotypen, die ich zusammengestellt habe, sind alle von meinem eigenen Blut.«
    »Und was machst du da eigentlich genau?« fragte Deon, trotz seines Kummers nun doch interessiert.
    »Komm mit ins Labor, dann zeig' ich's dir.«
    Deon folgte Philip mißmutig in den schneidenden Wind. Philip schritt zielstrebig aus und berichtete ihm angeregt von der neuentwickelten Methode, Chromosomen zu präparieren.
    In dem kleinen Nebenlabor im Pathologietrakt brannte Licht. Philip ging direkt zum Experimentiertisch, auf dem das Mikroskop stand. Er beugte sich darüber, peilte durch das Okular und stellte es ein. Ohne den Kopf zu heben, winkte er Deon heran. »Komm mal her und sie dir das an.«
    Philips Begeisterung wirkte ansteckend. Deon setzte sich gehorsam vor das Mikroskop. Er erkannte die faserähnlichen Gebilde aus dem Lehrbuch wieder. Sie waren von verschiedenartiger Form und Größe: manche sahen aus wie ein windschiefes X, andere ließen an zwei U denken, die an den Bogen zusammenhingen.
    »Hm«, machte Deon nichts sagend.
    »Siehst du sie?« Philip beugte sich über

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