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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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etwa zehn Jahre alt, und es war seine Aufgabe gewesen, die kleinen farbigen Mädchen, die in den Baracken hinter der Quittenallee wohnten, zusammenzutrommeln und auf den Heuboden zu locken. Erwartungsvoll kichernd kamen sie die Leiter hinauf, zogen ihre zerschlissenen Hemden aus und warteten in einer langen Reihe, bis sie von Deon und Philip, die als Ärzte fungierten, »untersucht« wurden. Als Couch diente eine alte Kiste, und Philip hatte aus einer Schuhcremedose und einer ausgedienten elektrischen Schnur ein Stethoskop gebastelt. Aus der Besteckschublade in der Küche hatten sie Messer entliehen, die als chirurgische Instrumente dienen sollten, aber die Mädchen stoben kreischend davon, sobald sie die Schneidwerkzeuge hervorholten.
    Sie wußten genau, was sie da taten, wenn sie im Halbdunkel die unentwickelten braunen Brüste abtasteten, und auch, daß es nicht recht war, denn sonst hätten sie wohl kaum das düstere Versteck für ihr heimliches Spiel gewählt, aber sie verstanden nicht, wo der prickelnde Reiz herrührte. Der Geruch nach Staub, geschorener Wolle, Schafdung und ranzigem Schweiß beschwor in Deon noch lange die Erinnerung an ihre verbotenen erotischen Spiele herauf.
    Die fanden jedoch eines Tages ein jähes Ende, als Deons Vater zufällig in den Schuppen kam und oben das verhaltene Gekicher hörte. Er stieg die Leiter hoch, um zu sehen, was da getrieben wurde.
    Deon war noch nie so verhauen worden wie an jenem Tag, und Philip bezog die doppelte Ration, einmal von Deons Vater und abends noch mal von seinem eigenen Vater.
    »Du bist ein ganz verdorbenes Früchtchen«, sagte Philip kopfschüttelnd.
    »Du bist auch kein Unschuldsengel.«
    »Weißt du, was?« Philip war unvermittelt wieder ernst geworden. »Ich habe es dir nie gesagt, aber diese Kinderei da im Schuppen, die du angezettelt hast …«
    »Moment mal, das war ja wohl deine Idee!«
    »Ist ja egal, wer damit angefangen hat. Jedenfalls bin ich dadurch zu dem Entschluß gelangt, Arzt zu werden. Das Blechstethoskop, das hab' ich noch lange aufbewahrt. Ich weiß noch, als deine Mutter krank war und der Doktor aus der Stadt kam – wie hieß er noch?«
    »Steyn, glaub' ich.«
    »Richtig. Dr. Steyn. Sogar dein Vater behandelte ihn mit ausgesuchter Höflichkeit. Dr. Steyn hier, Dr. Steyn da. Jedenfalls«, fuhr Philip hastig und ein wenig verlegen fort, »hab' ich es mir schön vorgestellt, wenn Leute wie dein Vater Dr. Davids zu mir sagen müssen. Und wie bist du darauf gekommen, Medizin zu studieren?«
    »Weiß nicht. In der Schule war ich gut in Mathematik und den naturwissenschaftlichen Fächern, und ich glaube, der Rektor schlug Medizin vor. Er sprach mit meinem Vater, und da Boet die Farm übernehmen sollte, stimmte mein alter Herr zu. Nur – ich glaube, er hätte es lieber gesehen, wenn ich nach Pretoria gegangen wäre.«
    Philip verzog die Lippen. »Ja, das kann ich mir vorstellen.«
    Sie schwiegen. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
    Sein erster Gedanke war: Wie kann ich es vor Vater geheim halten? Zum Glück ist er im Krankenhaus und nicht auf der Farm. Wenn er es erfährt, bringt es ihn um.
    Der Gedanke quälte ihn ununterbrochen seit Liselles tränenreichem Telefonanruf.
    Das Gespräch kam um zehn Uhr abends. Liselle war ganz außer sich, und zuerst dachte er, Boet habe einen Unfall gehabt. Erst durch energisches Zureden gelang es ihm, sie zu beruhigen und die Geschichte aus ihr herauszuholen. Dann durchdrang ihn die schlimme Nachricht wie ein spitzer Dolch: Sein Bruder war in einer Polizeizelle eingesperrt, und Vater durfte es auf keinen Fall erfahren.
    Deon erbat sich von dem bestürzten Verwaltungsdirektor Sonderurlaub und fuhr durch die Nacht nach Hause. Boets Anblick am nächsten Morgen, als er wie die Trunkenbolde, Messerstecher und Dagga-Raucher zur Anklagebank torkelte, war ein weiterer Schock.
    Boet blickte gehetzt um sich, wie jemand, der ständig auf einen Angriff aus dem Hinterhalt gefaßt ist, und seine Lippen waren zu einem ständigen Lächeln verzogen, als entschuldige er sich dafür, geboren zu sein. Ich bin ein Nichts, ein elender Wurm, schien seine kriecherische Haltung zu sagen – seht mich nicht an.
    Deon hatte morgens um halb sechs seinen Rechtsanwalt aus dem Bett geholt, der sich jetzt endlos mit dem scharfen jungen Staatsanwalt um den Kautionsbetrag raufte.
    »Es ist ein sehr schweres Vergehen«, sagte der Ankläger in einem fort, »gesetzwidriger Ankauf von Diamanten«, genüsslich ließ er die Worte

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