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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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auf der Zunge zergehen, »rechtswidriger Besitz ungeschliffener Diamanten. Ein sehr schweres Vergehen.«
    Aber schließlich ließ man Deon den Kautionsbrief unterschreiben, und der Rechtsanwalt händigte das Geld aus. Boet war frei.
    Schweigend traten die Brüder aus dem Gerichtsgebäude in den hellen Sonnenschein. Liselle wartete im Auto, das auf der anderen Straßenseite im Schatten der Bäume geparkt war. Deon hielt Boet die Wagentür auf, der kurz nickte und einstieg. Liselle ließ den Motor an, und sie verließen die Stadt. Niemand sagte etwas.
    Sie fuhren in schnellem Tempo über die staubige Straße, die durch die steinigen Felder führte, und das Schweigen hing zwischen ihnen wie die rötlichen Staubwolken, die von dem dahinrasenden Auto hochgewirbelt wurden und heiß und trocken in der Kehle brannten.
    Endlich unterbrach Boet die Stille. »Wie einen Hottentott haben die mich behandelt«, sagte er in ganz gewöhnlichem Tonfall.
    Liselle fing im Rückspiegel Deons Blick auf. Er schüttelte leise warnend den Kopf. »Bist du misshandelt worden?« fragte Deon scharf.
    Boet drehte sich halb im Sitz um und runzelte die Brauen. »Das nicht direkt. Aber ich habe sie angebettelt, mich nicht einzusperren. Ich habe ihnen versprochen, nicht abzuhauen, wenn sie mich auf der Bank im Revier übernachten ließen. Aber sie sagten, das Gesetz schreibt vor, daß sie mich einsperren müssen. Später brachten sie mir Tee in einer Coca-Cola-Flasche; so trinken ihn die Farbigen im Gefängnis.« Tonlos fügte er hinzu: »Sie hätten mir wenigstens eine Tasse geben können!«
    Deon und Liselle wechselten wieder Blicke.
    »Wie ist denn das alles überhaupt gekommen?« fragte Deon.
    Boets Besessenheit von den Trivialitäten des Vorfalls machte ihn stutzig. Vielleicht würde es eine Erleichterung für ihn sein, wenn er ihnen die ganze Geschichte erzählen konnte.
    »Was?« fragte Boet, und seine Stimme wurde hoch und feindselig.
    »Was ist geschehen? Warum haben sie dich festgenommen?«
    Es waren zwei Männer gewesen, und das allein hätte ihn schon mißtrauisch machen müssen, denn diese Leute traten immer paarweise auf.
    Aber es hatte sich alles auf so alltägliche Weise abgespielt, daß er erst aufmerkte, als es schon zu spät war. An dem betreffenden Morgen war er in die Stadt zum Steuerberater gefahren, und mittags hatte er mit Liselle auf der Terrasse gegessen.
    Mit halbem Ohr hörte er auf ihre Vorschläge und Pläne, ein modernes Haus bauen zu lassen, da das alte so düster und unbequem sei. Er antwortete einsilbig, trank seinen Kaffee aus und zog sich in sein Büro zurück, wo er sich seit Tagen mit den Kontobüchern abmühte.
    Theoretisch wußte er, daß der Wollpreis schlecht stand und die Farmer von ihren Rücklagen oder Bankanleihen lebten. Er beteiligte sich an ihren Diskussionen, sooft es sich ergab: im Tennisklub, bei Auktionen oder wenn sie sich zufällig beim Einkaufen begegneten. Sie alle wußten, wie ernst die Lage war und welche Schritte die Regierung zu unternehmen hatte, um ihren Notstand zu lindern. Aber bis zu diesem Jahr, als sein Vater erkrankte, hatte Boet sich nie so recht klargemacht, daß auch Wamagerskraal von der allgemeinen Misere betroffen wurde. Die Farm war für ihn immer unverrückbar fest und sicher dagewesen, wie sein Vater, sie würde immer da sein, mit ihren endlosen Feldern, die sich über die graue Ebene erstreckten. Jetzt empfand er zum ersten Mal ein Gefühl der Verlassenheit, und er hatte Angst.
    Die Höhe des überzogenen Betrages bei der Bank erstaunte ihn. Wo blieb das ganze Geld? Sicher, die Tiere mußten gefüttert werden. Aber trotz aller Pflege hatten sie im letzten Winter eine Menge Schafe verloren. So konnte es nicht weitergehen. Und Liselle, die früher Lehrerin gewesen war und deren Vater ein kleines Lebensmittelgeschäft in der Stadt hatte, meinte, daß sie als Farmersfrau das Geld nur von den Karrubüschen zu pflücken brauchte.
    Wie konnte er nun all die Verbesserungen durchführen, die er geplant hatte? Er stierte auf das dicke Hauptbuch und dachte daran, was seine Lehrer auf der Landwirtschaftsschule über richtige Farmwirtschaft gesagt hatten. Bei denen hörte sich alles so einfach an – Geld war nie erwähnt worden. Wie sollte man ohne Kapital eine Farm fortschrittlich bewirtschaften?
    Es klopfte. Er sah verdrießlich von seines Vaters altmodischem Rollpult mit den vielen Schubfächern auf. »Ja?«
    Jantjie steckte unterwürfig seinen alten grauen Piefietkornkopf herein.

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