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Die Erbsünde

Titel: Die Erbsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barnard Christiaan
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zweihundert VSD's in den letzten paar Jahren gemacht. Es ist eben nur … Ach, ich bin wohl noch ein bißchen angeknackst von gestern, wegen des Exitus.« Deon zögerte, dann sagte er, starr geradeaus sehend: »Und Lisa macht es auch nicht eben besser.«
    »Ich finde, ihr habt eine reizende Tochter«, kam Philips bedächtige Antwort.
    Deon untersuchte diese Worte auf eine etwaige doppelbödige Bedeutung, fand aber keine und sprach deshalb unbefangener weiter. »Mag sein. Ja, doch, ein lieber Kerl ist sie. Aber dieses Hippie-Getue. Und ich bin ziemlich sicher, daß sie auch Rauschgift nimmt. Was will man machen? Reden nützt nichts. Sie lehnt es glatt ab, darüber zu sprechen. Was bleibt einem also übrig? Sie einsperren? Der Polizei übergeben? Weiß der liebe Himmel!«
    »Es ist schwierig!«
    Deon lächelte knapp. »Du sagst es!« Sie schwiegen und blickten nach vorn. Die Scheinwerfer streiften über hohe Hecken und Zäune, die Häuser und Gärten umgaben. Hier wohnten die wohlhabenden Weißen. Die Siedlungen der Farbigen schlossen sich unmittelbar an diese vornehme Wohngegend an, und das war vielleicht der Grund für ihre fast unheimliche Abgeschlossenheit.
    »Gott sei Dank haben wir noch Etienne«, fuhr Deon fort, »wenn er auch nicht unser eigenes Kind ist.«
    »Nicht euer …«
    »Wir haben ihn adoptiert.«
    »Ach so.«
    »Und es ist traurig, daß ich das von meinem eigenen Kind sagen muß, aber er hat alles, was Lisa fehlt.«
    Philip sah ihn erwartungsvoll schweigend an.
    »Alles«, wiederholte Deon mit Nachdruck. »Er ist gut in der Schule. Was sag' ich – gut, glänzend ist er. Im Moment nimmt er gerade in Johannesburg an einem Mathematikwettbewerb teil. Er ist sprachbegabt und ein guter Sportler. In der Grundschule war er Klassensprecher. Er kann mit Menschen umgehen und ist durch und durch anständig. Lisa ist ein Versager.« Er schüttelte betrübt den Kopf. »Es ist ein wahres Wunder, daß Etienne überhaupt lebt. Er ist eine Frühgeburt, nach einer versuchten Abtreibung zwei Monate zu früh geboren.«
    »Was?«
    »Unglaublich, nicht?« Er zögerte und fuhr dann fort: »Ein praktischer Arzt, den ich kennen lernte, als ich Oberarzt in der Chirurgie war, behandelte den Fall. Eine junge Frau und ihr Freund kamen zu ihm, wegen einer Abtreibung, aber da sie schon in den achten Monat ging, lehnte er natürlich ab. Ein paar Tage später kam sie wieder, mit starken Wehen. Offenbar hatte sie es selbst versucht. Das Herz des Fötus war nicht zu hören, und der Arzt sagte ihr, das Kind sei tot. Sie war natürlich erleichtert. Er entband sie, und erst später stellte er zu seinem Schrecken fest, daß das Baby schwache Atemversuche machte. Er dachte, es würde sowieso bald sterben, wickelte es in eine alte Strickjacke und ließ es über Nacht im Sprechzimmer liegen.«
    »Das ist doch nicht zu fassen!«
    »Das kann man wohl sagen. Es starb aber nicht. Am nächsten Tag lebte es immer noch. Der Praktiker rief mich in panischer Angst an. Er wußte, daß Liz und ich einen Jungen adoptieren wollten. Nach Lisas Geburt konnte Liz keine Kinder mehr bekommen, also schlug der Gynäkologe vor, eins zu adoptieren. Wir brachten das Baby schleunigst ins Krankenhaus, wo es sofort in einen Brutkasten kam. Sein Leben hing an einem dünnen Faden, aber es kam durch. Liz pflegte das Kind einen Monat lang selbst. Sie schlief gleich neben dem Brutkasten. Es war schon drei Monate alt, ehe wir es mit nach Hause nehmen konnten, und selbst da wog es nur gut vier Pfund.«
    »Aber das ist doch ganz unglaublich!«
    »Ja, nicht?«
    Sie hatten die hohen Hecken und Gartenmauern nun hinter sich gelassen, die Häuser am Straßenrand wurden immer kleiner, hier und da tauchte ein Obststand auf, über dem ein Brett den malayischen Besitzer anzeigte, oder ein kleiner Laden mit schweren Eisenrolladen vor den Schaufenstern.
    »Wie wird deine Mutter damit fertig?« fragte Deon unvermittelt. »Weiß sie es?«
    »Ja. Aber sie hatte schon immer eine … na ja, fatalistische Lebenseinstellung. Und natürlich ist sie sehr glücklich, mich bei sich zu haben.«
    »Ist sie denn noch ziemlich rüstig?«
    Philip lachte. »Rüstig ist gar kein Ausdruck. Ich wollte eine Hilfe ins Haus nehmen, solange ich da bin. Nichts zu machen. Strikt abgelehnt. Sie sagt, wenn sie ihren eigenen Haushalt nicht mehr schafft, kann sie sich gleich begraben lassen.«
    »Meine Mutter ist … war auch so eingestellt. Aber seit sie den Schlaganfall hatte …« Deon hob resigniert die

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