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Die Erde ist nah

Die Erde ist nah

Titel: Die Erde ist nah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ludek Pesek
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anderes erinnern als an das unbestimmte Gefühl der dahinschwindenden Jugend.
    Als sich am Morgen der ungewöhnlich dichte und frostige Nebel in der Atmosphäre verflüchtigte, blieb am nördlichen Horizont ein silbriger langgezogener grauer Streifen hängen. Nach einer Weile wölbte sich über dem ganzen westlichen Horizont ein riesiger, schwach leuchtender Bogen aus Regenbogenfarben und schwebte volle zwanzig Minuten lang in der Atmosphäre. Die Basis meldete Windstille und Sonnenschein. An Trotts Gesundheitszustand hatte sich vorläufig nichts geändert. -O'Brien schwieg. Nichts schien ihn zu interessieren. Der Kapitän forderte Lawrenson und Silcott auf, sich für den Vormittag zum Abflug nach Sion bereitzuhalten und auf das Startsignal zu warten.
    Anstatt des Startbefehls funkte der Kapitän nach einer Stunde Startverbot durch die vernebelte Atmosphäre. Das Barometer auf Sion war innerhalb von zehn Minuten plötzlich gesunken, die Temperatur in der Atmosphäre um sieben Grad gestiegen, und vom Firmament begannen kleine funkelnde Nädelchen herabzuschweben. Wir ahnten, was wahrscheinlich folgen würde, und beeilten uns, die Ladungen auf den Anhängern zu befestigen. - Ich glaubte herauszufühlen, daß sowohl der Kapitän als auch O'Brien eine gewisse Genugtuung empfanden; doch jeder von ihnen aus einem anderen Grund. Mittags war die ganze Landschaft in leichten Nebel gehüllt. Wir erwarteten das den Sturm ankündende Brausen, doch der ganze Nachmittag verlief in bedrückender Stille. O'Brien verlangte vom Kapitän, die Expedition solle am Morgen aufbrechen und ihren Weg nach Süden fortsetzen. Mit Rücksicht darauf, daß über den Einsatz der Libelle geteilte Meinung herrsche, wäre ein weiteres Verbleiben auf Sion ein überflüssiger Zeitverlust. Die vielen Strapazen und Opfer, die die Expedition schon gebracht habe, müßten durch etwas aufgewogen werden . .. Wenigstens durch das Erreichen von Sinus Sabaeus. Die Möglichkeit einer sofortigen Rückkehr zur Basis erwähnte O'Brien überhaupt nicht. Der Kapitän verhielt sich scheinbar sehr demokratisch, als er verlangte, jeder von uns solle seine Meinung sagen, ehe er sich selbst äußere. Ich kannte ihn aber zu gut, um hinter dieser Geste nicht etwas anderes zu vermuten; als Soldat wollte er erst die ganze Kraft des Gegners, mit dem er eine starke Auseinandersetzung vorausahnte, kennenlernen. Die Expedition teilte sich in ihren Ansichten in zwei ungleich große Gruppen. Verwunderlicherweise stimmte die Mehrzahl mit O'Brien überein; so viel Mühe dürfe nicht nur so vergeudet werden. Ich weiß nicht, was uns so unwiderstehlich nach Süden zog. Keiner von uns erwartete, daß wir eine Insel paradiesischen Lebens entdeckten - und doch war es stärker als Vorsicht und kalte Überlegung. Ich sinnierte, ob der Mensch auf zwei Beinen gehen und kosmische Fahrzeuge konstruieren würde, wenn ihn die Natur gleich von Anfang an mit Vorsicht und kalter Überlegung ausgestattet hätte.
    Der Sturm setzte auch in der Nacht nicht ein. Das Barometer hatte sich beruhigt. Am Morgen brach die ganze Expedition bei beschränkter Sicht nach Südwesten auf. Gegen Mittag lag Sion schon irgendwo hinter dem im Nebel verschwundenen Horizont, und am Abend war alles nur noch eine in den unübersehbaren Ausmaßen der Mars-Wüsten versunkene Erinnerung. Ich weiß nicht, ob es nur eine Folge der Müdigkeit war, doch plötzlich überkam mich das unangenehme Gefühl, daß wir einen schicksalhaften Zug getan und etwas unschätzbar Wertvolles verloren hatten.
    24
    Den ganzen Tag über ist das Firmament von Horizont zu Horizont von einem dichten, gelbgrauen, vom Wind aufgewirbelten Staubnebel verschleiert. Oben ist es windig, doch unten bewegt nur ein schwaches Lüftchen die Staubkörnchen. Das von den durchscheinenden Nebelschleiern zerstreute Sonnenlicht beleuchtet die Landschaft und wirft keine harten Schatten. In diesem täuschenden Licht sieht alles friedlich und ruhig aus - und doch kann ich mich des Gefühls nicht erwehren, daß wir in eine gut getarnte Falle gehen. Vor uns ist die Barriere. Keine drohenden Felsenklippen, nur ein mäßig ansteigender Geröllhang, durchzogen von einigen Adern verwitterter Felsen, die stellenweise vom Staub überdeckt sind. Der lange Umweg nach Südwesten scheint sich gelohnt zu haben. Die Eidechsen mit den Anhängern bewältigen den Hang ohne größere Schwierigkeiten. Haben wir endlich den Weg zum Ziel gefunden?
    Gegen Mittag erreichen wir den Kamm der

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